Letzte Aktualisierung: 2.12.2022

Grundsätzliches über die Mikrobiota (Darmflora)


Definitionen

Den Begriff »Darmflora« kennt mittlerweile jeder, die Fachausdrücke »Mikrobiota« und »Mikrobiom« wahrscheinlich eher weniger. Dabei steht die »Mikrobiota« für die Gesamtheit der Lebewesen auf unseren Körperoberflächen. Der Begriff »Mikrobiom« hingegen wird für die Gesamtheit der Fremdgene, also der Erbanlagen der bakteriellen Mitbewohner gebraucht, wobei leider häufig die Begriffe falsch und verwaschen verwendet werden.

Körperoberflächen sind unsere Haut, aber auch die Schleimhäute in Lunge, Mund, Urogenitaltrakt und in Magen und Darm. Ja, auch der Darm ist eine Körperoberfläche: Wir müssen uns vorstellen, dass wir wie ein eingestülpter Handschuhfinger aufgebaut sind, und alles, was mit der Umwelt in Berührung kommt, ist außen. Da auch unser Verdauungssystem mit Nahrung in Berührung kommt, zählen das Magen- und Darminnere (das Lumen) auch zur Kategorie »außen«. »Innen« sind hingegen unser Blutsystem, unsere Muskeln, Nerven und die Körperorgane wie z.B. die Leber oder das Herz.

Im folgenden Beitrag beschränke ich mich bei dem Begriff »Mikrobiota« auf die Bakterien des Magen-/Darmtrakts – wobei ich eigentlich korrekterweise die Bezeichnung intestinale oder sogar gastrointestinale Mikrobiota verwenden müsste. Die Worte »gastro« stehen hierbei für den Magen und »intestinal« für den Darm.

Der allergrößte Anteil der Bakterien (und vieler weiterer Mikroorganismen, wobei ich hier in bewusst unkorrekterweise – aber verallgemeinernd und vor allem vereinfachend – den Begriff Bakterien verwende) lebt im Darm – genauer gesagt sogar im Dickdarm. Die gesamte intestinale Mikrobiota wiegt geschätzte ein – zwei Kilogramm und beherbergt mit geschätzten 1013 etwa genauso viele Einzelindividuen wie wir Körperzellen haben. Sie enthält etwa 500 – 800 verschiedene Arten (Spezies), wobei fast täglich mehr von den Wissenschaftlern entdeckt werden. Die Forschung an der menschlichen Mikrobiota ist ein inzwischen weit verbreitetes Feld, auf dem rasante Fortschritte gemacht werden.



Die Mikrobiota – ein eigenes Organ

Wegen der sich immer deutlicher abzeichnenden mannigfaltigen Aufgaben wird die Mikrobiota neben Herz, Lunge und den anderen Körperorganen inzwischen auch als ein zu unserem Körper gehörendes, weiteres Organ bezeichnet. Wenn man bedenkt, dass uns Menschen ein Überleben ohne eine funktionierende Mikrobiota gar nicht möglich ist – genauso, wie wir ja auch ohne unser Herz oder unsere Lunge nicht überleben können – ist dies eine sehr berechtigte Definition.

Am »Mausmodell«, also an lebenden Mäusen, hat man gesehen, dass diese schon nach wenigen Tagen starben, wenn man ihre Mikrobiota zerstört hatte und in ihrem Darm keinerlei Mikroorganismen lebten. Natürlich sind Tierversuche nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar. Da jedoch schon kleinere Abweichungen vom »Normalen« erfahrungsgemäß auch bei uns Menschen zu schweren Erkrankungen führen können (siehe auch Abschnitt »Mikrobiota und Erkrankungen«), ist es naheliegend, dass auch wir ohne unsere Darmflora nicht existieren bzw. gesund bleiben können.

War bisher das Wissen um dieses wichtige Organ nicht existent – immerhin wurden die Bakterien erst im Jahr 1675 von Antoni van Leeuwenhoek entdeckt, entwickelte sich dieser Bereich zunächst nur sehr schleppend. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die Relevanz für unseren Körper und für unsere Gesundheit erkannt, und immer mehr spezialisierte Wissenschaftler beschäftigen sich mit diesem »neuen« Organ. Es ist zu hoffen, dass die Bedeutung auch zeitnah in die Ausbildung unserer Mediziner Einzug erhält, so dass sich auch unsere behandelnden Ärzte hier besser als leider wie bisher meist üblich auskennen werden.

Schauen wir uns die Bakterien einmal an: Sie tragen meist sehr kryptische Namen, die bei genauerer Betrachtung jedoch schon viel über ihre Funktionen oder bevorzugten Lebensräume, aber auch über ihre Entdecker verraten. Meist setzen sich die Namen aus zwei oder sogar drei Teilen zusammen.

Ein recht bekanntes Bakterium, das Escherichia coli, wurde nach seinem Entdecker Theodor Escherich benannt und lebt vorwiegend im Dickdarm, dessen Fachausdruck Colon ist. Von diesem bekannten Bakterium gibt es zahlreiche Untergruppen, die mit weiteren Namenszusätzen bezeichnet sind. Obwohl wir bei der Erwähnung von Escherichia coli (abgekürzt E. coli) meist zusammenzucken und an Erkrankungen denken, sind die meisten Vertreter dieser Gruppe nicht krankeitserregend (pathogen), sondern nicht nur völlig harmlos und gehören sogar zu einer funktionstüchtigen Darmflora.

Ein weiterer, wichtiger Vertreter einer intakten Mikrobiota ist der Lactobacillus acidophilus (abgekürzt L. acidophilus), ein Milchsäurebakterium. Die Namensteile erklären sich aus ihren Funktionen: die lateinischen Ausdrücke für Milch sind »lac« und für Säure »acidum«, und »philos« kommt aus dem Griechischen und bedeutet Freund.

Es gibt bereits viele Bakterien, von den wir heute wissen, dass sie uns »freundlich gesinnt« sind, d.h. dass ihr Leben und Wirken für uns vorteilhaft ist, aber es gibt auch eher schädliche Bakterien. Trotzdem sind wir noch weit entfernt davon, über alle Bakterien, die uns besiedeln, Bescheid zu wissen, und wir kennen beileibe auch noch nicht alle.

Unsere Darmflora besteht – genauso wie die Bakterienbesiedelungen der anderen Körperoberflächen – aus auf diesen Lebensraum spezialisierten Arten, und es herrscht immer eine Balance zwischen den freundlichen und feindlichen Arten. Jede Art versucht naturgemäß, so viel Platz für sich zu beanspruchen wie möglich. Da der Platz auf der Darmschleimhaut insgesamt begrenzt ist, wird eine Art zurückgedrängt, wenn eine andere sich schneller vermehrt. Idealerweise sollte es so sein und ist auch in fast allen Fällen so, dass die für uns vorteilhaften Arten sehr viel reichlicher vertreten sind als die schädlichen, aber auch diese letztgenannten haben durchaus Funktionen für uns, die nicht unwichtig sind. So trainieren einige der eigentlichen Schädlinge, solange sie nur in kleineren Anzahlen in unserer Darmflora enthalten sind, unser Immunsystem, das sich zu einem großen Teil in unserem Darm befindet. Wenn keinerlei eigentlich schädliche Bakterien in unserer Darmflora enthalten wären und dieses Training ausbleiben würde, würden wir bei einer plötzlichen massiven Kontamination mit diesen Schädlingen sofort erkranken. Sie kennen dies von den Impfungen, bei denen einige wenige teils abgeschwächte Krankheitserreger gezielt in unseren Organismus gebracht werden, der diese Erreger auf diese Weise schon einmal kennenlernen und Antikörper bilden kann, die dann im Ernstfalle rasch aktiviert werden können.

Aber zurück zu den »Guten«: Diese Bakterien haben zahlreiche Aufgaben – und ich bin sicher, dass wir längst noch nicht alle kennen. Bis jetzt ist bekannt, dass sie uns beim Verarbeiten schwer oder sogar unverdaulicher Nahrungsbestandteile helfen, dass sie bestimmte Vitamine bilden, dass sie für eine gesunde Darmschleimhaut und den dafür erforderlichen Darmschleim sorgen und dass sie das für ihr eigenes Überleben so wichtige Säuremilieu im Darm schaffen. Aber sie sorgen auch für die Kommunikation mit anderen Regionen in unserem Organismus und ermöglichen es sogar, dass sich unser Bauch mit unserem Kopf über die die sogenannte Darm-Hirn-Achse (Gut-Brain-Axis) »unterhalten« kann.

In unserem Darm herrscht also immer ein ausgeklügeltes System zwischen den zahlreichen Bakterienarten. Wie aber sind die Bakterien in unseren Körper gelangt?



Entstehung der Mikrobiota

Wenn wir geboren werden, gibt es in unserem Darm nur sehr, sehr wenige verschiedene Bakterienarten und diese auch nur in sehr geringen Anzahlen von einzelnen Individuen. Bis vor einigen Jahren hat man sogar angenommen, dass wir keimfrei auf die Welt kommen. Man hat jedoch entdeckt, dass bereits im Mekonium, dem sogenannten Kindspech, also dem ersten Stuhl, den der Säugling ausscheidet, einige Bakterien vorhanden sind. Diese muss der Embryo im Mutterleib von seiner Mutter erhalten haben. Während der Geburt jedoch nimmt das Neugeborene zahlreiche Keime aus der mütterlichen Scheiden- und Darmflora auf, die dann den ersten wichtigen Grundstock für die Entwicklung der eigenen Darmflora bilden. Weiter geht es beim Stillen: in der Muttermilch sind nicht nur weitere Bakterienarten – vor allem Milchsäurebakterien – enthalten, sondern praktischer Weise auch gleich das »Futter« für diese Bakterien. Mit dem Milchzucker (Laktose), einem Zweifachzucker, und bestimmten Mehrfachzuckern (Humane Milch-Oligosachharide, HMO) werden die Milchsäurebakterien gefüttert, so dass sie sich rasch vermehren können und aus diesen Nahrungsbestandteilen u.a. Milchsäure bilden können, die das Säuremilieu im kindlichen Darm für die sich entwickelnde Darmflora optimiert.

Per Kaiserschnitt geborene Kinder haben es nicht ganz so gut. Sie werden zum Beginn ihres Lebens hauptsächlich mit der Hautflora der Mutter besiedelt, da sie ja nicht durch den natürlichen Geburtskanal gelangen. Wenn sie nach ihrer Geburt der Mutter auf den Bauch gelegt und von ihren Händen gestreichelt werden, nehmen sie die dort siedelnden Bakterien auf. Benachteiligt in Bezug auf die Darmflora sind auch Kinder, die nicht gestillt werden, denn die künstliche Milchnahrung enthält die für die Muttermilch spezifischen Bestandteile nicht (lesen Sie hierzu auch den Abschnitt »Schwangerschaft – was kann ich für mein Kind tun?«). Allerdings forscht die Nahrungsmittel-Industrie daran, Milch-Ersatznahrungen zu entwickeln, denen die HMO künstlich zugesetzt werden.

Weiterhin wichtig für die Entwicklung der Darmflora sind die hygienischen Umstände, unter denen das Baby und Kleinkind dann aufwächst. Darf es auf dem Fußboden krabbeln und im Sandkasten spielen und ab und an ein Schippchen Dreck in den Mund nehmen, gelangen viele verschiedene Keime in seinen Darm – und dies sind keineswegs nur »gefährliche« sondern können durchaus nutzbringend sein, denn sie trainieren zumindest das Immunsystem (natürlich muss sich dies aber immer alles im Rahmen halten). Wenn das Kind jedoch in einer eher keimarmen Umgebung aufwächst und die Mutter ohne Not alles und jedes desinfiziert, finden sehr viel weniger Bakterienarten den Weg in den Darm, so dass die Verschiedenartigkeit (Diversität) der Keime reduziert ist.

Je nachdem, in welchen Umständen das Kind geboren und aufgewachsen ist, bildet sich auf dieser Basis im Laufe der ersten drei Lebensjahre eine Mikrobiota, die den Menschen sein Leben lang begleitet. Und so ist die Darmflora eines jeden Menschen ganz einmalig und individuell. Würde ein Einbrecher ein Häufchen am Ort seiner Untat hinterlassen, könnte ein Fachmann den Dieb genauso identifizieren wie mit seinem Fingerabdruck.



Mikrobiota und Darmschleimhaut

Es wäre übrigens sehr einseitig, nur die Darmflora allein zu betrachten. Immer muss auch die Qualität der Darmschleimhaut beachtet werden, denn beide bedingen sich gegenseitig. Die Schleimhaut und die darauf liegende Schleimschicht bildet das Nest für die Darmbakterien, die wiederum mit Ihren Stoffwechselprodukten die Schleimhautzellen füttern. Bitte lesen Sie hierzu auch den Beitrag »Darmschleimhaut – Aufbau, Funktionen, Pflege und Sanierung«.

Diese Zellen sind nicht an den Blutkreislauf angeschlossen. Sie erneuern sich innerhalb weniger Tage – so schnell kann sich kein Adersystem bilden, das eine Versorgung über das Blut sicherstellen würde. Somit müssen die Schleimhautzellen auf anderem Wege ernährt werden, nämlich zum einen durch kurzkettige Fettsäuren, die von den Darmbakterien gebildet werden. Zum anderen kann so der Darmschleim (in der Fachsprache »Mucus« oder »Mucin« genannt) immer wieder erneuert werden, der ebenfalls die Schleimhautzellen mit Nährstoffen versorgt.

Auch sind es die verschiedensten von den Darmbakterien produzierte Substanzen, die eine reibungslose Funktion aller Verdauungsvorgänge im Darm zu steuern. Und ohne eine »gute« Verdauung kann sich keine robuste Darmflora entwickeln, denn so werden neben unverdauten Speiseresten auch alte, abgestorbene Darmschleimhautzellen, aber auch abgestorbene Darmbakterien entsorgt und machen Platz für eine neue Bakteriengeneration.

Es ist also weder zu möglich, dass in einer kranken Schleimhaut eine gesunde Mikrobiota wohnt, noch gibt es eine gesunde Darmschleimhaut ohne eine stabile Darmflora. Anders ausgedrückt: Eine gesunde Darmflora benötigt immer eine gesunde Darmschleimhaut, und eine gesunde Darmschleimhaut benötigt immer eine gesunde Darmflora.



Mikrobiota und Erkrankungen

Wenn ein Kind zu wenige Möglichkeiten hatte, eine stabile Darmflora zu entwickeln und/oder eine robuste Mikrobiota im Laufe des Lebens durch verschiedene Einflüsse gestört wird, kann die Gesundheit ernsthaft gefährdet werden.

Bei vielen Erkrankungen ist der Zusammenhang mit einer entgleisten Darmflora bekannt. Dass der als »Montezumas Rache« gefürchtete Reisedurchfall mit einer Überschwemmung mit schädlichen Keimen, die man mit unhygienisch zubereiteten Speisen zu sich nimmt, zusammenhängt, die die freundlichen Darmkeime zurückdrängen, ist eine Binsenweisheit. Und dass es meist oder zumindest zuerst die Reiseteilnehmer trifft, deren Darmflora auch vor der Reise schon in keinem guten Zustand gewesen ist, wissen zumindest die Fachleute.

Die Kenntnis darüber, dass auch schwerere und chronische Erkrankungen mit einer mangelhaften Mikrobiota in Zusammenhang stehen, setzt sich leider erst sehr langsam unter den Medizinern durch. Hier wären als zwei Beispiele (unter vielen anderen) die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CeD) wie der Morbus Crohn oder die Colitis ulcerosa zu nennen, bei denen sehr viel weniger verschiedene Bakterienarten in der Darmflora leben als eigentlich wünschenswert wäre. Aber auch viele andere Erkrankungen wie Diabetes oder Allergien und viele andere mehr werden mit einer reduzierten Diversität (Vielfältigkeit) der Mikrobiota in Verbindung gebracht (lesen Sie hierzu auch den Abschnitt »Diversität«).

Auch die Stabilität des Immunsystems hängt ganz eng mit einer guten Darmflora zusammen. Wenn man beispielsweise einen grippalen Infekt mit Antibiotika behandelt (wobei diese Erkrankungen meist durch Viren verursacht werden, gegen die Antibiotika ohnehin wirkungslos sind), mindert man die Qualität der Mikrobiota massiv. Gibt man nun dem Körper nicht genügend Zeit, sich und seine Darmflora zu regenerieren, folgen in immer kürzeren Abständen erneute Erkrankungen, weil die gestörte Darmflora den abermaligen Angriffen von Eindringlingen keine ausreichende Schutzmacht mehr entgegensetzen kann (lesen Sie hierzu bitte auch den Abschnitt »Antibiotika«).

Mittlerweile werden auch viele weitere und sehr verschiedene Erkrankungen wie Zöliakie, Autismus, Alzheimer Demenz, die Parkinson‘sche Krankheit oder sogar die Fettleibigkeit und viele andere mit der Darmflora in Verbindung gebracht. Nicht immer soll eine unausgeglichene Balance der Auslöser sein, aber oft kann der Grad einer Erkrankung mit der mehr oder weniger ausgeprägten Abweichung in Zusammenhang gebracht werden.



Mikrobiota und Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten

Auch die Entwicklung und vor allem auch die Ausprägung von Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten können mit der Qualität der Mikrobiota in engem Zusammenhang stehen.

Unverträglichkeiten von bestimmten Nahrungsmitteln wie u.a. Laktose (Milchzucker) oder Fruktose (Fruchtzucker) treten auf, wenn die diese Stoffe verarbeitenden Enzyme bzw. Transportproteine nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Diese Stoffe werden in den Zellen der Dünndarmschleimhaut gebildet. Mangelt es an dem einen oder anderen Enzym oder Transportprotein, gelangen die unverdauten Stoffe in den Dickdarm, wo sie von den Dickdarmbakterien verstoffwechselt werden. Dabei entstehen viele Säuren und Gase als Abbauprodukte, die u.a. als Bauchschmerzen, Blähungen und/oder Durchfälle Probleme bereiten. Werden hingegen ausreichend Enzyme und Transportproteine in den Schleimhautzellen gebildet, können die Nährstoffe bereits im Dünndarm verarbeitet und ins Blut überführt werden. In diesem Falle gelangen keine oder nur kleinere Restmengen in den Dickdarm, und die Abbauprodukte halten sich in Grenzen und machen keine Beschwerden.

Wie weiter oben beschrieben, hängen die Qualität und damit die Funktionsfähigkeit von Darmflora und Darmschleimhaut eng zusammen. Lässt die Zusammensetzung der Darmflora zu wünschen übrig, ist auch der Zustand der Darmschleimhautzellen minderwertig. Schlechter ernährte Zellen können nun aber weniger Enzyme und Transportproteine produzieren, so dass die Nährstoffe unvollkommener verarbeitet werden.

Sind darüber hinaus auch noch Mikroentzündungen vorhanden, führt dies zu einer weiteren Reduktion der Enzymproduktion und somit zu einer weiteren Verstärkung der Unverträglichkeitsreaktionen.

Zusätzlich sind mangelernährte Schleimhautzellen dünner und weniger fest miteinander verbunden, so dass sich zwischen den Zellen Durchlässe bilden. Nun können unverdaute Nahrungsbestandteile leichter zwischen diesen Zellspalten hindurchschlüpfen und ins Körperinnere gelangen. Die Folgen können allergieähnliche Symptome, Müdigkeit, Kopfschmerzen und viele andere unspezifische Anzeichen sein. Man nennt dieses Phänomen das »Leaky-Gut-Syndrom« (leak = undicht; gut = Darm; engl.).

Wird durch eine geeignete Sanierung der Mikrobiota auch die Darmschleimhaut wieder aufgebaut, gehen Unverträglichkeiten, sofern sie nicht erblich bedingt sind, zu einem Teil wieder ganz oder zumindest in ihrer Intensität deutlich zurück.



Gute Bakterien am falschen Ort

Die meisten Bakterienarten haben ihre ganz speziellen »Wohnorte« – d.h. es ist wichtig, wo im Verdauungssystem sie leben. Wenn Bakterien, die normalerweise in den Dickdarm gehören und dort ihre sinnvollen Aufgaben haben, durch ungünstige Umstände in den Dünndarm wandern, können sie hier, obwohl sie ja eigentlich zu den »Guten« gehören, Unheil anrichten.

Wenn wir bei diesem Beispiel bleiben: Im Dickdarm leben u.a. Bakterien, die die kleinen Restmengen Kohlenhydrate verstoffwechseln sollen, um auch noch das letzte bisschen Energie aus den verzehrten Lebensmitteln herauszuholen (unser Verdauungssystem funktioniert (leider) noch wie vor tausenden von Jahren, als der Mensch noch nicht in dem Überfluss lebte, wie wir es heute meist gewohnt sind). Da die Kohlenhydrate unter normalen Umständen zum allergrößten Teil im Dünndarm aufgenommen werden, sind die Restmengen klein und die bei der bakteriellen Verstoffwechselung entstehenden Abfallprodukte entsprechend unproblematisch.

Auch wenn diese Bakterien in den Dünndarm gewandert sind, verrichten sie ohne Rücksicht auf die Standortänderung weiter ihre angestammte Aufgabe und verstoffwechseln Kohlenhydrate. Hier im Dünndarm jedoch ist das Angebot überreichlich, denn die Kohlenhydrate werden ja erst im Verlauf des 5 – 6 Meter langen Dünndarms nach und nach über die Schleimhaut ins Blut aufgenommen. Somit leben die Bakterien hier wie im Schlaraffenland und bekommen mehr als genügend »zu fressen« – mit der Folge, dass auch sehr große Abgasmengen entstehen, die entsprechend große Probleme bereiten. Diese Störung nennt man »Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO)«. Die Behandlung besteht darin, die ja eigentlich ganz normalen Bakterien an diesem Ort zu vertreiben, so dass sich eine für diesen Bereich normale Flora ausbreiten kann. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag zum Thema »Dünndarmfehlbesiedelung und ihre Behandlung« und das Buch Dünndarmfehlbesiedelung – erkennen, verstehen, erfolgreich behandeln)



Diagnostische Methoden

Um sich einen Überblick über die Qualität Ihrer Mikrobiota zu verschaffen möchten, stehen die verschiedensten Stuhltests zur Verfügung. Leider können auch diese Tests, ebenso wie die Probiotika, inzwischen problemlos vom Laien im Internet bestellt werden. Mit den Ergebnissen kommen auch gleich eher allgemein gehaltene Behandlungsvorschläge, die dann mit mehr oder (meist) weniger Erfolg umgesetzt werden.

Die Misserfolge gründen sich auf die Tatsache, dass das Labor, das ja nur das Stuhlpröbchen sieht, keinerlei Informationen über Ihre Ernährungs- und Lebensumstände kennt und so die Ergebnisse nicht mit diesen Voraussetzungen in Beziehung setzen kann.

Zudem kosten die Tests nicht wenig Geld, das Sie mit Sicherheit nicht gerne zum Fenster hinauswerfen möchten.

Früher bestanden die Ergebnisse solcher Tests oft nur aus einer Aufzählung der kryptischen Bakteriennamen und deren Menge – immerhin in Beziehung gesetzt zu den Referenzwerten, die Auskunft gaben darüber, ob sich ein ermittelter Wert im Rahmen oder außerhalb der angenommenen Toleranz bewegte. Aber so richtig anfangen konnte der ungeübte Leser mit diesen Ergebnissen nichts. Und so wundert es mich nicht, in den einschlägigen Internetforen immer wieder die Bitte um Hilfestellung bei der Bewertung eines Stuhltestergebnisses zu finden.

Seit kurzem jedoch gibt es besser interpretierbare Tests, denn diese teilen die Bakterienarten nach ihren Funktionsgruppen ein, so dass besser nachvollzogen werden kann, wo der »Hase im Pfeffer liegt«.

Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, liegt jedoch weiterhin in den Händen der Spezialisten, denn die Labore dürfen zwar generelle Ratschläge für bestimmte Muster geben, jedoch dürfen sie weder individuelle Therapievorschläge noch Empfehlungen für geeignete Präparate abgeben. Und dies ist auch gut so, denn aus einer Stuhlprobe kann man – wie gesagt – keine Rückschlüsse auf die individuelle Situation des Probanden ziehen.

Deshalb ist es wichtig, sich kompetent beraten zu lassen, um auch bei diesen Tests nicht nur die richtigen – sprich dem Beschwerdebild angemessenen – Parameter zu beauftragen, sondern danach aus den Ergebnissen auch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.



Diversität der Mikrobiota

Alle Bakterienarten beeinflussen nicht nur ihren Wirt, also den Menschen, sondern sie beeinflussen sich auch gegenseitig. Es ist vorteilhaft, wenn in der Mikrobiota möglichst viele verschiedene Bakterienarten enthalten sind. Um dies zu erklären, benutze ich einmal ein sehr vereinfachtes Beispiel: Wären nur zwei Arten vorhanden, die sich den vorhandenen Platz auf der Darmschleimhaut teilen, könnte beim Ausfall einer dieser beiden Arten die andere plötzlich den gesamten Platz für sich beanspruchen. Wenn diese überlebende Art ein uns feindlich gesinntes Bakterium ist, wären wir schlecht dran. Wenn jedoch zahlreiche verschiedene Arten in unserem Darm leben, ist der Ausfall oder auch eine Verminderung der einen oder anderen Art nicht so schwerwiegend, weil dann die anderen Arten immer noch bis zu einem gewissen Grade das Gleichgewicht halten können.



Antibiotika

Besonders wichtig ist der Blick auf die Diversität bei einer Behandlung mit Antibiotika, die ja bestimmte Bakterienarten vernichten sollen (der Name setzt sich aus den Teilen »anti« = gegen und »bios« = Leben zusammen). Da diese hochwirksamen Mittel aber immer auch viele andere Arten als nur einen bestimmten Krankheitserreger abtöten oder zumindest dezimieren, schützt eine möglichst gute Mikrobiota mit vielen verschiedenen Bewohnern besser als eine von vorne herein in ihrer Diversität gestörte Mikrobiota.

Ich möchte betonen, dass wir mit den Antibiotika unverzichtbare Mittel gegen früher häufig tödlich verlaufende Erkrankungen in der Hand haben. Sie werden jedoch leider viel zu häufig und oft auch vollkommen überflüssiger Weise eingesetzt, so dass sich unsere Mikrobiota nach einer Antibiose kaum noch regenerieren kann. Es benötigt mehrere Monate bis sogar Jahre, bis sich die ursprüngliche Balance und Diversität wieder weitgehend vollständig einstellen kann. Wenn nun innerhalb dieser Regenerationsphasen erneut Antibiotika eingenommen werden, wird die Vielfältigkeit immer weiter reduziert und erlangt nie wieder eine gesunde Diversität. Ein kluges Abwägen, wann tatsächlich ein Antibiotikum erforderlich ist und wann nicht, ist also für unsere Mikrobiota sehr wichtig.

Hinzu kommt, dass wir leider, auch wenn wir selbst keine Antibiotika einnehmen, dauerhaft mit kleineren Mengen dieser bakterienabtötenden bzw. -schädigenden Substanzen ausgesetzt sind. Viele Fleischproduzenten setzen unerlaubterweise Antibiotika als Mastmittel ein, so dass Reste im Fleisch zurück bleiben. Mit der Gülle, in der sich ebenfalls Antibiotikareste befinden, werden die Felder gedüngt, und im Trinkwasser befinden sich Spuren, die die Wasserwerke nicht ausfiltern können. So nehmen wir mit jeder Mahlzeit und jedem Glas Leitungswasser Spuren dieser Substanzen auf, die dann unsere Mikrobiota beeinträchtigen. Auch hier hat man in zahlreichen Versuchen am Mausmodell nachweisen können, dass bereits diese Kleinstmengen ausreichen, die Qualität unserer Mikrobiota entscheidend und dauerhaft zu beeinträchtigen. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag zum Thema »Antibiotika und Darmgesundheit«)



Andere Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Neben den Antibiotika können auch viele andere Medikamente – seien sie vom Arzt verschrieben oder frei verkäuflich – unerwünschte Wirkungen auf die Mikrobiota haben. Schauen Sie doch einmal in den Beipackzettel: meist stehen hier die Magen-/Darmbeschwerden unter den besonders häufigen Nebenwirkungen. Ganz vorne in der Liste der darmfloraschädlichen Substanzen rangieren u.a. Schmerzmittel wie ASS oder Ibuprofen – und wer von uns hat nicht schon einmal eine solche Tablette geschluckt, um seine Kopf- oder Zahnschmerzen zu bekämpfen?

Weiterhin sind oft Beeinträchtigungen der Mikrobiota zu erwarten, wenn viele verschiedene Medikamente gleichzeitig genommen werden (müssen). Und das ist ja auch kein Wunder, denn alle diese Mittel enthalten Substanzen, die unsere kleinen Mitbewohner, die ja samt und sonders sehr viel älter sind als der Mensch (und erst recht älter als die Pharmaprodukte), gar nicht kennen und somit besonders empfindlich auf diesen Chemikalien-Cocktail reagieren.

Auch die Einnahme vermeintlich nützlicher Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralstoffe oder auch die ganzen Kapseln oder Tabletten mit angeblich ach so gesunden Stoffen aus allerhand als Superfood gehandelten Pflanzen, können sich negativ auf die Mikrobiota auswirken. Nicht nur die Inhaltstoffe allein, die ja aus ihrer pflanzlichen Gesamtheit isoliert worden sind, sind oft – vor allem, wenn sie überdosiert werden – eher schädlich als nützlich. Zudem sind sie in den meisten Fällen ohnehin überflüssig. Und die meist in großer Anzahl zugegebenen Hilfs- und Zusatzstoffe lassen dann das Fass gänzlich überlaufen. All die gut gemeinten Mittelchen schaden dann eher als dass sie nützen, denn eine gesunde Mikrobiota ist einer der wichtigsten Faktoren, die unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden mitbestimmen.



Protonenpumpenhemmer (PPI)

Neben den verschiedenen Medikamenten – insbesondere den weiter oben angeführten Antibiotika – wirkt sich die Einnahme der sogenannten Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, kurz PPI) besonders schädlich auf die Balance der Mikrobiota aus. Diese Medikamentengruppe (mit Wirkstoffen, deren Namen meist auf »azol« enden) sind in geringeren Dosierungen aus Profitgründen der Krankenkassen leider sogar frei verkäuflich und werden von vielen Medizinern bei der Verordnung anderer Mittel leider genauso leichtfertig wie gerne als »Magenschutz« gleich mitverschrieben – oder können vom Patienten in der Apotheke ohne Probleme und ohne Rezept erworben werden. Das Wort »Magenschutz« suggeriert, dass Sie sich und Ihrem Magen etwas Gutes tun, doch lesen Sie sich einmal den meterlangen Beipackzettel durch: ganz oben auf der Liste der möglichen Nebenwirkungen sind die diversen Probleme mit Magen, Darm und Verdauung aufgeführt!

Diese Mittel drosseln die Produktion der Magensäure, die für die Verarbeitung insbesondere der Eiweiße unerlässlich ist, stark (die sogenannte Protonenpumpe im Magen hemmen). Deshalb werden diese Proteine nicht mehr korrekt aufgeschlüsselt, was für die gesamte Verdauung fatale Folgen hat. Der unzureichend verarbeitete Speisebrei und das veränderte Säuremilieu in Magen und im weiteren Verlauf auch im Darm belasten die Mikrobiota, was letztendlich zu einer umfassenden Entgleisung dieses empfindlichen Organs führen kann.

Die folgenden Verdauungsbeschwerden versucht der unaufgeklärte Patient mit weiteren und/oder sogar verstärkten PPI-Einnahmen zu bekämpfen – ein fataler Teufelskreis! Es ist sehr schade, dass hier die Mediziner erstens nicht selber besser informiert sind und sich zweitens nicht die Zeit nehmen, ihre Patienten darüber zu aufzuklären, welche Folgen eine unkontrollierte und viel zu lange Einnahme dieser Mittel haben. Und die Apotheker, die ja eigentlich auch über Nebenwirkungen informieren sollten, haben daran wahrscheinlich eher kein wirkliches Interesse, denn diese Präparategruppe bildet inzwischen eine ihrer größten Einnahmequellen.



Probiotika

Viele Menschen wissen bereits um die Bedeutung der Mikrobiota. Deshalb versuchen sie, bei Verdauungsbeschwerden mit den mittlerweile in Apotheken, aber sogar auch in Drogeriemärkten und im Internet erhältlichen Probiotika ihre Verdauung zu unterstützen. Das Wort Probiotika setzt sich zusammen aus dem Teil »pro«, der »für« bedeutet und dem bereits bekannten Teil »bios« (Leben). Probiotika sind lebende Keime, die die Qualität der Mikrobiota mit guten Mikroorganismen anheben sollen. Das könnte tatsächlich – sofern die »richtigen« Keime ausgewählt werden – funktionieren, aber es ist schon eine Menge Vorwissen erforderlich, um diese Auswahl zu treffen. Darüber hinaus wirken die Probiotika nur vorübergehend (temporär), denn diese Keime siedeln sich nicht in der Mikrobiota an und verlassen den Körper nach relativ kurzer Zeit wieder.

Wählt man die zur Situation passenden probiotischen Präparate aus, sind diese jedoch in der Lage, eine »schlechte« Mikrobiota vorübergehend so zu unterstützen, dass die eigenen, guten Keime bessere Chancen haben, wieder vermehrt Fuß zu fassen.

Man kann jedoch seiner Mikrobiota mit einem unpassenden Präparat durchaus auch einen Bärendienst erweisen und eher negative Effekte mit einer solchen Einnahme erzielen – abgesehen davon, dass man in diesem Falle sein Geld für die oftmals teuren Präparate zum Fenster hinauswirft.

Es gibt mittlerweile hunderte verschiedene Präparate mit teils abenteuerlichen Mischungen. In den meisten Fällen ungeeignet sind Mittel, in denen mehr als sechs bis acht verschiedene probiotische Stämme enthalten sind, weil die spezifischen Wirkungen der einzelnen Arten sich unkalkulierbar beeinträchtigen könnten. Das Prinzip »viel hilft viel« ist in Bezug auf die Anzahl der verschiedenen Arten also falsch. Wichtig ist neben der »richtigen« Auswahl auch die Menge der jeweiligen enthaltenen Keime, d.h. es sollte eine Menge von mindestens 109 KbE enthalten sein (KbE steht für Kolonien-bildende Einheiten), damit auch genügend Mikroorganismen die Säurebarriere im Magen überwinden und in den Darm gelangen können. In Bezug auf die Menge der einzelnen Bakterien ist der Grundsatz »viel hilft viel« somit durchaus berechtigt.

Auf jeden Fall sollten Sie sich von einem auf die Mikrobiologische Therapie spezialisierten Berater bei der Auswahl für Ihre ganz individuelle Situation helfen lassen. Hören Sie bitte nicht auf den gut gemeinten Rat von Freunden oder auch von Mitgliedern bestimmter Internet-Communities – Ihre persönliche Situation ist auf jeden Fall eine andere als die von diesen wohlmeinenden Mitmenschen, und was dem einen geholfen hat, kann dem anderen u.U. sogar eher schaden als nützen. Ein Probiotikum muss immer ganz individuell für Sie persönlich ausgewählt werden! Ggf. kann es erforderlich sein, neben der Betrachtung Ihrer Beschwerden vor der Auswahl und Einnahme eines Probiotikums mit einem Stuhltest eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands durchzuführen. Bitte lesen Sie hierzu den Abschnitt »Diagnostische Methoden«.



Präbiotika und Synbiotika

Neben den Probiotika gibt es auch noch die sogenannten Präbiotika. Die Vorsilbe »prä« bedeutet vor. Diese Mittel enthalten meist für den Menschen unverdauliche Mehrfachzucker, die aber Leckerbissen für die guten Darmbakterien und auch für die probiotischen Keime in den entsprechenden Mitteln darstellen. Sollten Sie ein probiotisches Präparat empfohlen bekommen haben, das nicht schon kleinere Mengen an präbiotischen Substanzen enthält (Synbiotikum), ist es meist sinnvoll, separat auch ein Präbiotikum einzunehmen, um die erwünschten Darmbakterien zu füttern. Allerdings enthalten auch viele Lebensmittel präbiotische Substanzen, so dass mitnichten immer die Einnahme von zusätzlichen Präparaten erforderlich ist. Die vielen leckeren Obst- und Gemüsesorten schmecken nicht nur den Darmbakterien, sondern auch uns selbst.

Schlaue Hersteller von Probiotika stecken in ein- und dieselbe Kapsel oder das Beutelchen nicht nur die probiotischen Keime, sondern geben mit zugesetzten präbiotischen Substanzen den Mikroorganismen gleich ein Picknickkörbchen mit auf die Reise in Ihren Darm – gar nicht so dumm! Diese Mittel heißen Synbiotika, wobei die Vorsilbe »syn« für zusammen steht. Der Begriff ist jedoch heute kaum noch gebräuchlich, da in den meisten Probiotika aus den beschriebenen Gründen zusätzliche präbiotische Substanzen enthalten sind.

Menschen, die mit Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten oder einer Dünndarmfehlbesiedelung zu kämpfen haben, haben oftmals Bedenken, wenn sie sehen, dass in einem Präparat neben den probiotischen Bakterienstämmen auch präbiotische Substanzen enthalten sind, denn gerade Präbiotika (wie z.B. Inulin) machen sehr häufig Probleme. Ich kann diese Bedenken verstehen, kann Ihnen aber versichern, dass die Mengen der Präbiotika – zumindest in guten Präparaten – so gering sind, dass sie tatsächlich »nur« der Reiseproviant für die Probiotika sind und keine zusätzlichen Beschwerden erzeugen. Aber auch hier gibt es erstens leider auch unlöbliche Produktbeispiele und zweitens können, sofern die Ablehnung zu groß ist, auch Alternativen gefunden werden.



Die kluge Auswahl

Wenn Sie Ihre Mikrobiota in bestimmten Fällen unterstützen müssen – beispielsweise nach (oder idealerweise bereits während) einer antibiotischen Behandlung – lassen Sie sich bitte beraten, welche Präparate für Sie geeignet sind. In die Entscheidung mit einbezogen werden müssen immer die gegebenen Voraussetzungen, die gesundheitliche Gesamtsituation und Grunderkrankung(en), die zu erreichenden Ziele und vieles mehr. Vielleicht können Sie auch Gutes erreichen, indem überflüssige Medikamente und/oder Nahrungsergänzungsmittel reduziert oder weggelassen werden.

Bedenken Sie bitte auch, dass die Probiotika nicht nur falsch ausgewählt sein und somit eher Schaden als Nutzen anrichten können, sondern dass diese Präparate auch viel Geld kosten – insbesondere die qualitativ hochwertigen. Es wäre doch schade, wenn Sie dieses Geld umsonst ausgeben würden! Nicht immer ist es sinnvoll, zahlreiche verschiedene Präparate einzunehmen – im Allgemeinen ist es klüger, nach dem Prinzip »weniger ist mehr« zu entscheiden.

Ein ganz wichtiger Hinweis: Sollten Sie Art und Menge der vom Arzt verschriebenen Medikamente verändern wollen, tun Sie dies bitte auf keinen Fall auf eigene Faust, sondern besprechen Sie dies auf jeden Fall mit dem Mediziner. Sie dürfen und sollten aber gerne kritische Fragen stellen und Denkanstöße geben.



Ernährung

Eigentlich müsste dieser Abschnitt ganz zu Anfang dieses Beitrags stehen, denn Ihre Ernährung ist einer der wichtigsten Faktoren für die Qualität Ihrer Mikrobiota. Nicht nur Sie ernähren sich von dem was Sie essen, sondern Sie ernähren auch Ihre Darmbakterien. Und so, wie Ihnen bestimmte Lebensmittel besser oder schlechter schmecken und bekommen, so schmecken und bekommen diese Lebensmittel auch Ihren Darmbakterien. Zu viel Zucker beispielsweise bekommt weder Ihnen noch Ihren fleißigen Mitarbeitern im Bauch. Gesundes Gemüse und Obst hingegen mögen sie gerne. Aber auch hier kann es zu viel des Guten sein, und zu viel Hülsenfrüchte oder auch Kohl und Zwiebeln – alles an sich sehr gesunde Lebensmittel – können trotz allem Beschwerden verursachen, weil die Darmbakterien die dort enthaltenen Nährstoffe nicht richtig verarbeiten können und dies mit Gasen und ungesunden Säuren als Abfallprodukte quittieren.

Essen Sie jedoch angemessen, können sich die guten Darmbakterien verstärkt fortpflanzen und die gesunde Balance stabilisieren. Ich benutze hier ganz bewusst das Wort »angemessen« und sage nicht »gesund«, denn es gibt nicht DIE gesunde Kost. Was für den einen angemessen ist, muss für den anderen nicht unbedingt bekömmlich sein. Hier kommt es immer auf die eigene Mikrobiota, aber auch beispielsweise auf bestimmte Unverträglichkeiten und Allergien und viele weitere Faktoren an. Meist sagt Ihnen Ihre Erfahrung und Ihr eigenes Buchgefühl, was bekömmlich für Sie ist. Das heißt aber nicht unbedingt, dass jahrelange Gewohnheiten auf Dauer für Sie zuträglich sind – vor allem nicht, wenn Sie Ihren Speisezettel immer weiter einschränken. Sich hier einmal individuell beraten zu lassen, bevor sich Beschwerden bemerkbar machen, wäre eine lohnende Investition für Ihre Gesundheit.

Es lohnt sich übrigens auch, ab und an für einige Zeit überhaupt nichts zu essen, also zu fasten. Das muss kein Heilfasten sein, das meistens mehrere Tage bis sogar Wochen dauert – es reicht schon, dem Darm eine Erholungspause von beispielsweise einem einzigen Tag zu gönnen. Auf diese Weise vermeiden Sie, dass Sie dauernd Stoffe verzehren, die das Verdauungssystem belasten. Aber es gibt noch einen weiteren, wichtigen Aspekt, der erst vor ganz kurzer Zeit von den Forschern entdeckt wurde: Die Stammzellen, aus denen sich immer wieder neue Darmschleimhautzellen bilden und die sich ja alle 3 – 4 Tage erneuern, können sich unter einer kurzen Nahrungskarenz erholen und danach mit »frischer Kraft« ihrer Aufgabe nachkommen. Sie erreichen mit dieser einfachen Maßnahme, dass Ihre Darmschleimhaut sehr viel leistungsfähiger bleibt.

Diese Erkenntnis ist zwar neu, aber eigentlich ist es ein uralter Vorgang, denn unsere Vorfahren mussten häufiger fasten, wenn sie keine Nahrung fanden. Und so gut wie alle Religionen haben sich dies von der Natur abgeschaut und empfehlen zu bestimmten Zeiten, auf Nahrung zu verzichten. Wenn Sie nicht aus religiösen Gründen fasten möchten, tun Sie es aber vielleicht in kleinerem Rahmen (z.B. alle Vierteljahr einmal) für Ihre Gesundheit.



Rauchen, Alkohol und Umweltgifte

Ganz schlecht für die Mikrobiota sind das Rauchen, das Trinken von Alkohol und auch Umweltgifte. Alle diese Stoffe gelangen auch zu Ihren Darmbakterien, die dann ebenfalls mit diesen Stoffen in Kontakt kommen. Und was Ihnen nicht guttut, tut auch Ihren Mitbewohnern nicht gut. Denken Sie bitte beim Konsum von »Genussmitteln« bitte auch immer an Ihre Mikrobiota. Ganz besonders wichtig ist dies, wenn Sie ohnehin den Eindruck haben, dass in Ihrem Darm eine »Schwachstelle« sitzen könnte – dann ist es besonders wichtig, auf solche schädlichen Stoffe möglichst zu verzichten.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich möchte nicht den Zeigefinger erheben und Sie zum Asketen erziehen. Ein gelegentliches Gläschen Bier oder Wein in Gesellschaft oder ab und an ein Stückchen Kuchen oder Schokolade dürfen Sie sich ruhig gönnen, wobei die Betonung auf »gelegentlich« liegt. Das kann eine gesunde Mikrobiota durchaus verkraften und kleinere Beeinträchtigungen rasch wieder ausgleichen. Wenn jedoch der Konsum dieser Genussmittel überhandnimmt, werden Ihre Darmbakterien Ihnen dies übelnehmen und die Qualität Ihrer Mikrobiota sich sukzessive verschlechtern.

Beim Rauchen jedoch kann ich Ihnen jedoch keine Absolution erteilen – das ist grundsätzlich einer der gravierendsten Schadfaktoren für Ihre Mikrobiota. Bitte fangen Sie nach Möglichkeit gar nicht erst an zu rauchen oder lassen Sie sich helfen, diese Sucht schnellstmöglich zu besiegen. Jede Krankenkasse und viele weitere Institutionen bieten hier Hilfsprogramme an.



Was können wir noch tun?

Neben all den erwähnten positiven aber auch negativen Einflussfaktoren können wir noch sehr viel mehr für eine gesunde Mikrobiota tun. Wie bereits gesagt: alles was Ihnen guttut, tut auch Ihrer Mikrobiota gut. Bewegen Sie sich ausreichend und möglichst kontinuierlich über den Tag verteilt (lesen Sie hierzu bitte den Beitrag »Darmgymnastik«). Dies fördert Ihre Verdauung und damit auch die gesunde Balance der Mikrobiota.

Und last, but not least, beeinflusst auch Ihre psychische Verfassung die Qualität Ihrer Mikrobiota. Weiter oben haben Sie von der Darm-Hirn-Achse gelesen. Die Informationen zwischen Darm(flora) und Kopfhirn werden sowohl vom Kopf in den Bauch als auch vom Bauch zum Kopf gesendet – letzteres übrigens zum weit überwiegenden Teil. Und an dieser Information sind die Darmbakterien zu einem großen Teil mitbeteiligt. Sie produzieren u.a. Botenstoffe, die bestimmte Informationen übertragen. Wenn Sie sich gut fühlen, fühlen sich auch Ihre Darmbakterien wohler. Und wenn es den Darmbakterien gut geht, geht es auch Ihnen besser. Sorgen Sie deshalb dafür, dass Sie möglichst wenig Stress haben bzw. unvermeidbaren Stress mit Entspannung kompensieren.



Schwangerschaft – was kann ich für mein Kind tun?

Sie können bereits an die Gesundheit Ihres Kindes denken, wenn Sie schwanger sind oder planen, schwanger zu werden. Ernähren Sie sich darmflorabewusst mit für Sie bekömmlichen, frischen, naturbelassenen Lebensmitteln mit so vielen Ballaststoffen wie möglich. Auf diese Weise unterstützen Sie die ausgeglichene Balance Ihrer eigenen Mikrobiota und – im Falle einer Schwangerschaft – auch die Qualität Ihrer Scheidenflora. Gegen Ende einer Schwangerschaft ändert sich die Zusammensetzung der Scheidenflora, damit das Baby bei seiner Geburt die optimale Basis für die eigene Mikrobiota aufnehmen kann. Je gesünder die Bakterienbesiedelung im gesamten mütterlichen Organismus ist, desto höherwertig ist auch ihre Scheidenflora.

Weiterhin interessant ist, dass bereit im Mutterleib werden, wie eingangs beschrieben, gesunde Keime über die Plazenta (den Mutterkuchen) auf das Baby übertragen, und wenn Ihr Babys dann zur Welt kommt, nimmt es im Geburtskanal die Bakterien der Scheidenflora, in der sich auch immer Darmkeime befinden auf. So wird eine erste Basis für die Entwicklung der kindlichen Mikrobiota gelegt.

Bitte lesen Sie hierzu insbesondere die drei vorherigen Abschnitte, in denen die wichtigsten Kriterien aufgelistet sind, wie man die Qualität der eigenen Mikrobiota – auch und gerade in einer Schwangerschaft – zum Wohle der eigenen Gesundheit und zum Wohle des Kindes günstig beeinflussen kann.

Und in Bezug auf Probiotika bedenken Sie bitte, dass Sie diese Nahrungsergänzungsmittel, die man sich ja ohne eine ärztliche Verordnung besorgen kann, gerade in einer Schwangerschaft nicht leichtfertig einnehmen sollten – genauso wenig, wie Sie ja jetzt auch keinerlei Medikamente ohne den fachärztlichen Rat einnehmen sollten. Es ist zwar nicht bewiesen, dass Probiotika einen Embryo schädigen können, aber gerade in einer solchen Situation, in der Sie nicht nur für sich selbst, sondern gleichzeitig auch für das werdende Leben Verantwortung tragen, sollten Sie lieber übervorsichtig als nachlässig sein. Es gibt durchaus gute Probiotika, die auch in einer Schwangerschaft unter bestimmten Voraussetzungen nützlich sein können. Aber ich will nicht ausschließen, dass man sich und vor allem seinem Baby mit einer unkontrollierten Einnahme auch Schaden zufügen kann. Leider müssen Nahrungsergänzungsmittel nicht wie Medikamente auf ihre Unbedenklichkeit überprüft werden – und was sich in diesem Bereich auf dem Markt tummelt, ist teilweise haaresträubend. Bitte setzen Sie sich und Ihr Kind keiner Gefahr aus!

Ein besonderer Fall ist eine Kaiserschnittgeburt. Natürlich können Sie nichts mehr daran ändern, ob Sie selbst auf natürlichem Wege oder per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind. Aber für den Fall, dass Sie ein Kind erwarten, möchte ich Sie herzlich bitten, möglichst eine natürliche Geburt anzustreben. Der Kaiserschnitt sollte nur denjenigen vorbehalten bleiben, bei denen wirklich eine medizinische Notwendigkeit vorliegt.

Glücklicherweise geht der Anteil der Frauen, die ausdrücklich einen Kaiserschnitt wünschen, weil ihnen dieser Weg leichter oder sogar bequemer erscheint als eine natürliche Geburt, mehr und mehr zurück. Trotzdem steigt der Anteil der Kaiserschnitte ständig – und hierfür gibt es keine medizinischen Gründe. Eher ausschlaggebend dürften finanzielle Gründe sein, denn eine operative Entbindung wird für ein Krankenhaus sehr viel lukrativer vergütet als eine normale. So entscheiden Ärzte heute teilweise schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, dass ein Kaiserschnitt durchgeführt werden soll, wo früher noch ausgebildete Hebammen erreichen konnten, dass ein Baby ohne Gefahr auf natürlichem Wege zur Welt kommen konnte. Das Wissen darüber, dass sich hier die Kostenträger einen Bärendienst erweisen, weil die Kinder ihr Leben lang mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Krankheitskosten verursachen werden, wird sich wenn überhaupt, erst in Jahrzehnten zeigen. Und soweit scheinen Krankenkassen nicht zu schauen (schauen zu wollen).

Eine Gebärende ist dann natürlich in einer Zwickmühle, denn wenn der Arzt sagt, eine natürlich Entbindung bedeute eine Gefahr für das Baby, wird sie dem selten widersprechen. Bitte behalten Sie diese Aspekte im Hinterkopf, wenn Sie sich Gedanken darüber machen und mit Ihrem Arzt und Ihrer Hebamme besprechen, wie Sie Ihr Kind zur Welt bringen wollen. Machen Sie im Vorfeld deutlich, dass Sie nach Möglichkeit eine natürliche Entbindung bevorzugen. Wenn jedoch medizinische Gründe für einen Kaiserschnitt sprechen, seien Sie dankbar, dass es diese Möglichkeit für den Ernstfall gibt.

Für jedes Elternpaar, bei dem aus medizinischen Gründen ein Kaiserschnitt erforderlich ist, gibt es ein paar einfache Tipps, wie man auch in diesem Fall eine gute Vorsorge für die Mikrobiota des Kindes treffen kann.

Wie im Abschnitt »Entstehung der Mikrobiota« beschrieben, sind die ersten Momente nach der Geburt mitentscheidend, welche Basis für die Entwicklung einer stabilen Mikrobiota gelegt wird: Das Baby sollte möglichst frühzeitig mit Keimen aus der mütterlichen Scheide, in der sich immer auch Darmbakterien befinden, in Berührung kommen. Mit einem genauso jungen wie einfachen Verfahren, dem sogenannten »vaginal seeding« wird vor einer geplanten Kaiserschnittgeburt für einige Stunden ein Mulltupfer in der mütterlichen Scheide platziert, damit er die dort siedelnden Keime aufnehmen kann. Gleich nach der Geburt wird der Tupfer entnommen und dem Neugeborenen damit die Wangenschleimhaut ausgewischt und der Körper abgerieben. Jeder, der dies jetzt vielleicht ein wenig befremdlich oder sogar ekelig findet, sollte bedenken, dass dies bei einer vaginalen Geburt ohnehin passiert wäre.

Nach einem Kaiserschnitt ist es – wie selbstverständlich auch nach einer normalen Geburt – das Beste, wenn die Mutter ihr Kind stillt. Keine noch so teure Ersatznahrung enthält die Schutzstoffe, die die Muttermilch für das Kind bereithält. Zudem sind in der Flaschennahrung die Eiweiße, die meist aus Kuhmilch stammen, nicht so optimal auf die menschenkindlichen Bedürfnisse abgestimmt und belasten das noch nicht ausgereifte Verdauungssystem.

Gänzlich fehlen die in der Muttermilch enthaltenen probiotischen Keime. Die sich fortentwickelnde Nahrungsmittel- bzw. Pharma-Industrie experimentiert seit einiger Zeit zwar auch mit dem Zusatz von Probiotika, aber dies alles steckt noch in den Kinderschuhen, und für mich persönlich wäre die Gesundheit meines Babys viel zu wichtig, als dass ich sie für die gewinnorientierten Versuche solcher Hersteller auf ein unkalkulierbares Spiel setzen würde.

Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern, dass es nicht nur nichts Schöneres gibt, als ein Baby zu stillen, es ist auch definitiv das Einfachste: man muss sich nicht darum kümmern, eine Flaschenmahlzeit zuzubereiten und eventuell zu Unternehmungen mitzunehmen, sondern es ist immer und zu jedem Zeitpunkt ohne Vorbereitungen alles angemessen bereit. Wenn Sie also stillen möchten, möchte ich Sie ausdrücklich ermuntern. Nehmen Sie ggf. schon im Vorfeld Kontakt zu Stillgruppen auf, die es in jedem größeren Ort gibt. Hier beraten erfahrene Mütter, was Sie schon vor der Entbindung für ein reibungsloses Stillen und damit für die Gesundheit Ihres Kindes tun können.



Zukunftsaussichten

Wie bereits gesagt, gehen die Forschungen an der menschlichen Mitkrobiota in rasanten Schritten vorwärts, und fast täglich werden neue Erkenntnisse gewonnen.

Selbstverständlich werden auf diesem Gebiet nicht nur Grundsatzforschungen von unabhängigen Wissenschaftlern durchgeführt, um medizinische Erkenntnisse zum Wohle der Menschen zu gewinnen. Vor allem sind die Pharmariesen interessiert an neuen Bereichen und Möglichkeiten, mit denen sie Gewinne erzielen können. Dies sehen wir ja bereits in der Tatsache, dass die Anzahl der Probiotika mit leider häufig vollkommen unsinnigen und selten tatsächlich vernünftigen Zusammenstellungen den Markt überschwemmen.

Auch Vitamin- und Mineralstoff-Präparate werden mit den besten Versprechungen für eine gesunde Mikrobiota angepriesen. Da alle diese Mittel zu meinem großen Leidwesen als sogenannte Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich und eben nicht rezeptpflichtig sind, kann sie jeder in jeder Menge erwerben in dem von den Herstellern befeuerten Glauben, sich, seinem Darm und seiner Gesundheit damit auf jeden Fall etwas Gutes zu tun.

Noch schneidet sich jede Pharmafirma aus diesem Kuchen ihr möglichst großes Stück ab, aber auch wenn es heute noch anders scheint, wird die Kuchengröße irgendwann endlich sein.

Und für diesen Fall – und natürlich auch für tatsächlich seriöse Neuerungen in der Medizin – sind ehrliche Grundlagenforschungen an der Mikrobiota sinnvoll und wichtig. Dass auch dies aus finanziellen Gründen in überwigendem Maße nicht von unabhängigen Forschern, sondern von Mitarbeitern von Pharmafirmen durchgeführt wird, die an der Herstellung von (gewinnversprechenden) echten Medikamenten zur Heilung von Erkrankungen dienen sollen, ist eine Tatsache. So wird derzeit u.a. daran gearbeitet, das Erbgut von bereits bekannten Darmbakterien so zu verändern, dass sie Substanzen produzieren und ausgleichen können, die bei bestimmten Erkrankungen im Stoffwechsel von Betroffenen fehlen.

Die amerikanische Firma Synlogic aus Massachusetts (als ein Beispiel unter vielen) forscht daran, das Genom eines Darmbakteriums Escherichia coli verändern zu können, so dass es Phenylanalin abbbauen kann. Diese Substanz entsteht bei der Verdauung vieler Nahrungsmittel. Gesunde Menschen produzieren in ihrer Leber ein passendes Enzym, das das Phenylanalin abbaut. Menschen mit der angeborenen Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie können dieses Enzym jedoch nicht bilden, so dass sich ohne eine adäquate Behandlung das Phenylanalin im Blut konzentriert und u.a. zu schweren Schäden am Gehirn führt. Nur eine strikte, lebenslange Diät bewahrt sie vor unwiederbringlichen Schäden. Wenn nun das genveränderte E. coli-Bakterium das fehlende Enzym bilden könnte, kann das Phenylanalin zwar nach wie vor nicht in der Leber abgebaut werden, aber im Darm. Dies wäre ein riesiger Fortschritt für die Betroffenen, die auf diese Weise zwar nicht geheilt werden, aber nun nicht mehr die einschneidende Diät beachten müssen.

Derzeit ist das natürlich noch im Versuchsstadium, aber es hört sich sehr vielversprechend an, »einfach« die Produktion von lebenswichtigen, fehlenden Substanzen von Bakterien übernehmen zu lassen und so Defizite ausgleichen zu können. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, es zeigt jedoch, in welche Richtung sich die Forschung bewegt. Ob dies immer wirklich zum Wohle der Menschheit geschieht, wird die Zukunft beweisen müssen.

Vielleicht begeben wir uns auf diesem Wege aber auch manchmal nach dem Motto des Zauberlehrlings in unkalkulierbare Gefahren, aber bei der Entwicklungen vieler heute segensreicher Medikamente wurden oft auch Irrwege beschritten. Ich hoffe, dass gerade mit diesem sensiblen Thema besonders verantwortungsbewusst umgegangen wird.


Das »Rundumpaket« für Ihre Mikrobiota

Für eine gesunde Mikrobiota reicht es nicht, nur ab und an ein (vielleicht sogar geeignetes) Probiotikum einzunehmen. Es gehört schon sehr viel mehr dazu.

Worauf Sie für sich selbst leider keinen Einfluss mehr nehmen können, ist die Art, wie Sie zur Welt gekommen sind und welche Nahrung Sie von Ihrer Mutter bekommen haben. Auch können Sie nicht mehr steuern, welcher Keimvielfalt Sie als Kind ausgesetzt sein durften.

Sie können jedoch mit Ihrer Ernährung und mit der Menge des Konsums von Genussmitteln, aber auch mit einem klugen Stressmanagement und aktiven Bewegungsverhalten – z.B. mit regelmäßiger Darmgymnastik – einen großen Einfluss auf die Qualität Ihrer Mikrobiota nehmen. Auch Ihr Medikamentenkonsum und der Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln sind – zumindest zum Teil – von Ihren Entscheidungen abhängig, wodurch Sie zahlreiche Möglichkeiten in der Hand haben, Ihre Mikrobiota zu optimieren.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Darmbewohnern alles Gute.


 
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