Facebookeintrag vom 10.8.2012
zu einem Beitrag in der Zeitschrift Freundin (Ausgabe 6/2012):
»Was kann ich noch essen«
Von Barbara Sonnentag
Der Beitrag in der »Freundin« befasst sich auf 3 Seiten (inkl.
großformatigen Bildern) mit den Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten Gluten,
Laktose, Fruktose und Histamin. Augenfällig aufgemachte Prozentzahlen spiegeln
den Tenor des Beitrags: »30% glauben, an einer Nahrungsmittel-Unverträglichkeit
zu leiden, die tatsächlichen Zahlen sind jedoch niedriger.« Und weiter:
»30% reagieren schon auf geringe Mengen Fruktose mit Bauchschmerzen.«
Allein schon diese Teaser zeigen die Ungenauigkeit der Recherche, vor allem aber
die Stoßrichtung dieses Beitrags auf.
Vorab: Ich finde es gut, dass immer mehr Medien sich des Themas
»Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten« annehmen und versuchen, auch
die Nicht-Betoffenen aufzuklären und bei ihnen Verständnis für die
Probleme zu wecken (die Betroffenen haben sich ohnehin meistens damit befasst und
sind mehr oder weniger informiert).
Leider jedoch sind die meisten Beiträge dieser Art recht oberflächlich
recherchiert. Wie der weiter unten in diesem Blog angeführte Beitrag im
Tagesspiegel vom 6.8.12 und die Veröffentlichung der Verbraucherzentrale
Hamburg vom gleichen Tage ist weist auch der Beitrag in der Zeitschrift
»Freundin« vom 11.7.2012 ärgerliche Ungenauigkeiten auf:
Er beginnt mit einem Abschnitt über Gluten und versucht hier auf allerkleinstem
Raum von noch nicht einmal einer Spalte die Zöliakie zu umreißen, ohne
der Dramatik dieser ersten Erkrankung gerecht werden zu können. Dass hier
bei der »Behandlung« bzw. der erforderlichen Diät absolute Konsequenz
ohne die kleinste Ausnahme zu beachten ist, wird nicht erwähnt, obwohl der
Verfasser als Experte bezeichnet wird. Die Bemerkung, »Lebenslanger Verzicht
auf Gluten ist das Einzige, was man tun kann. Dann heilt die Krankheit meist
völlig ab« ist zumindest missverständlich. Ja, es wird von »lebenslangem
Verzicht« gesprochen, aber die Krankheit heilt mitnichten ab, sondern nur die
Symptome. Hier hätte ich mir eine korrektere und unmissverständlichere
Beschreibung gewünscht.
Auch fällt hier trotz der allgemeinen Überschrift »Gluten«
leider die Gluten-Unverträglichkeit unter den Tisch, von der ebenfalls immer
mehr Menschen betroffen sind. Dies aber mag dem Platzmangel geschuldet sein.
Der nächste Abschnitt behandelt die Laktose-Intoleranz, zumindest zuerst
einmal völlig korrekt als »genetischer Normalzustand« bezeichnet.
Im Großen und Ganzen richtig umrissen, mündet er jedoch leider, wie die
oben erwähnten Beiträge des Tagesspiegel und der Verbraucherzentrale
auch in der Feststellung, dass »Die meisten Betroffenen ... [Laktose] in
geringen Mengen oder in vergorener Form, etwa als reifen Käse oder
Sauermilch« vertragen. Dies erweckt den Eindruck, dass es schon nicht so
schlimm ist, mal ab und an einen Joghurt zu essen. Es ist zwar der »Sauermilchjoghurt«
erwähnt, dass aber erstens die meisten Joghurts als Industrieprodukte teils
massig Laktose enthalten und zweitens eben auch nicht nur einige, sondern ziemlich
viele Betroffene trotz der individuellen Verträglichkeitsgrenzen lieber auch
auf Produkte, die nur geringe Laktosemengen enthalten verzichten – es zumindest
aber selbst in der Hand haben wollen und nicht von der Nahrungsmittelindustrie
aufgezwungen bekommen wollen, fällt offensichtlich dem geringen Beitragsumfang
zum Opfer.
Weiter geht es mit der Beschreibung der Fruktose-Intoleranz. Auf knapp einer Spalte
wird nicht nur umrissen, was Fruktaose-Intoleranz ist, sondern (in diesem Falle
überflüssigerweise) auch noch Platz verschwendet mit der Hinzunahme der
angeborenen Intoleranz, die – wie korrekt beschrieben – äußerst
selten ist (hier also kaum interessant ist). Hier fließen dann Erklärungen
ein, dass sich »hinter den Süßstoffen Sorbit, Mannit und Xylit«
ebenfalls Fruktose »verberge«. Zum einen: Sorbit, Mannit und Xylit sind
keine »Süßstoffe, sondern Zuckeralkohole, und es »verbirgt«
sich auch keine Fruktose dahinter. Zugegebenermaßen haben die meisten Menschen
mit Fruktose-Intoleranz auch Probleme mit den Zuckeralkoholen, weil diese die
gleichen Verwertungssystem benutzen, dasselbe ist es aber nicht. Bei allem
Verständnis für Platzmangel: dann bitte lieber Unwichtigeres weglassen
als Falsches zu schreiben.
Der Beitrag schließt mit einer knappen Spalte über die Histamin-Unverträglichkeit
und beschreibt: »Sie ist so etwas wie eine Modediagnose, die gern im Internet
gegoogelt wird« und schließt mit dem Satz »In der Apotheke gibt es
das Abbauenzym ... in Kapselform«. Es mag stimmen, dass tatsächlich weniger
Menschen an einer Histamin-Unverträglichkeit leiden, als angenommen. Aber
zumindest für diese Betroffenen ist die Bemerkung wenig hilfreich, die
Unverträglichkeit könne mal so einfach mit dem Einnehmen einer Kapsel
behandelt werden.
Und außerdem ist die Tatsache, dass viele einen solchen Verdacht hegen, weil
sie immer wiederkehrende Verdauungsprobleme haben und alles andere bereits
ausgeschlossen haben, allein schon bemerkenswert genug und sollte nicht Anlass zu
abfällig wirkenden Beschreibungen geben. Hier macht es sich der Experte also
ein wenig zu einfach und wird zumindest all denen in keinster Weise gerecht, die
an dieser wirklich nur sehr schwer handelbaren Unverträglichkeit leiden.
Ein ganz wichtiger Aspekt und die zwingende Schlussfolgerung für alle
Unverträglichkeiten wird leider nicht erwähnt: Dass die Nahrungsmittelindustrie
endlich verpflichtet werden soll und muss, zum einen alle möglichen und
unmöglichen Zusatzstoffe in die Nahrungsmittel zu panschen, die dadurch den
Anspruch auf die Bezeichnung »Lebens«mittel verwirkt haben. Und zum
anderen sollte es so rasch wie möglich (und ohne jahre- oder sogar jahrzehntelange
Vorlaufszeiten für die Wirtschaft) verpflichtend sein, die Zutatenlisten als
Komplettdeklarationen in verständlicher Form, ausreichnder Schriftgröße
und an exponierter Stelle anzubringen.
Dass diese Zutatenlisten irgendwann einmal eine überschaubare Länge
bekommen und (zumindest weitestgehend) ohne E-Nummern auskommen, wird wohl (m)ein
Wunschtraum bleiben.
Nichtsdestotrotz ist es, um wieder auf meinen einleitenden Satz zurück zu
kommen, zu begrüßen, wenn auch in Zeitschriften wie der Freundin über
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten berichtet wird. Ich würde mir
hierfür jedoch mehr Raum und damit eine korrektere Berichterstattung wünschen.
Alternativ böte sich an, nicht alle Unverträglichkeiten in einen Beitrag
zu quetschen, sondern als Serie in mehreren aufeinanderfolgenen Heften umfassender
zu beschreiben.
Und wer nun wirklich mehr zu den beschriebenen Unverträglichkeiten wissen
möchte, sei auf meine Website verwiesen: www.dorispaas.de
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