Verdauungsbeschwerden können neben Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
und/oder -Allergien viele weitere Ursachen haben – und nicht immer ist es einfach,
diesen auf die Spur zu kommen. Wenn die Tests auf unverträgliche Lebensmittel
zu keinem oder zu keinem befriedigenden Erfolg führen, sollten Sie auch an
Ihre Schilddrüse denken, denn eine mangelhafte Schilddrüsenfunktion kann
Verdauungsprobleme wie Verstopfung, Durchfälle oder Bauchschmerzen (mit-)verursachen.
Physiologie
Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ist ein kleines Organ, das in einem
komplizierten und feinfühligen Zusammenspiel mit vielen anderen Drüsen
im Körper die Hormonproduktion und damit die Körperfunktionen steuert.
Sie ist mit ihren zwei »Lappen« geformt wie ein Schmetterling und liegt
im Hals vor der Luftröhre in Höhe des Kehlkopfes (»Adamsapfel«). Die
Größe einer gesunden Schilddrüse eines Erwachsenen liegt (je nach Alter
und Geschlecht) etwa zwischen der einer Walnuss bis maximal der Größe einer
kleinen Mandarine (Frauen: 13-18ml, Männer 15-25ml).
Funktionen der Schilddrüse
Drei verschiedene Hormone werden in der Schilddrüse gebildet: Thyroxin (T4),
Trijodthyronin (T3) und Calcitonin. Das Calcitonin fördert den Einbau von
Kalzium und Phosphat in die Knochen und hemmt dem Knochenabbau, indem es die
knochenabbauenden Osteoklasten beeinflusst.
T4 und T3 sind für das Wachstum zuständig und deshalb bereits im Säuglings-,
Kinder- und Jugendalter besonders wichtig. Aber auch für Erwachsene sind diese
Hormone bedeutsam, denn sie steuern zusätzlich u.a. den Energiestoffwechsel
im Körper, regulieren Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur.
Und ganz wichtig zu wissen: Die Schilddrüsenhormone beeinflussen die
Reizleitung der Nerven (nicht nur) des Magen-Darmtrakts und regulieren so auch
die Motorik des Darms (Darmperistaltik). Dadurch können sie (mit-)verantwortlich
sein für Verstopfung (bei Unterversorgung) oder Durchfälle (bei
Überversorgung), darüber hinaus können als Folge Bauchschmerzen
und viele weitere Symptome auftreten.
Die Schilddrüse ist ein sehr wichtiges Organ: Aufgrund ihrer vielfältigen
Funktionen kann man sie als »Steuerungszentrale« betrachten,
denn fast alle hormonellen Körperfunktionen werden letztendlich durch die
Schilddrüse gesteuert und kontrolliert. Zwar muss sich die Schilddrüse
noch mit der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) »abstimmen«,
letztendlich ist es aber die Schilddrüse, die die meisten Hormondrüsen
im Körper steuert. So ist beispielsweise auch der weibliche Hormonzyklus
mit von einer korrekten Schilddrüsenfunktion abhängig, denn die
Eierstöcke, in denen die weiblichen Hormone gebildet werden, werden von der
Schilddrüse geregelt. Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus, der durch das in der
Zirbeldrüse gebildete Hormon Melatonin gesteuert wird, wird ebenfalls von den
Schilddrüsenhormonen überwacht. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann
sich deshalb auch durch verstärkte Müdigkeit bemerkbar machen, eine
Überfunktion hingegen durch Schlafprobleme oder Nervosität.
Bildung von Schilddrüsenhormonen
Zur Bildung der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin ist der
Mineralstoff Jod erforderlich. Da der Organismus dieses Spurenelement nicht selbst
bilden kann, muss es mit der Nahrung aufgenommen werden. Insbesondere bei erhöhtem
Bedarf wie beispielsweise einer Schwangerschaft und der Stillzeit aber auch bei
intensiver sportlicher Betätigung muss aufmerksam auf eine ausreichende
Jodversorgung geachtet werden, damit für das wachsende Kind und die Mutter,
für den Sportler und für jeden Menschen ausreichend Schilddrüsenhormone
zur Verfügung stehen.
Schilddrüsenerkrankungen
Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse, bei der nicht genügend Hormone
gebildet werden, wächst die Schilddrüse, um mit mehr Drüsengewebe
mehr Hormon bilden und so den Bedarf decken zu können. Der Halsumfang wird
nach und nach dicker, in Extremfällen kann man dies an dem so genannten »Kropf«
(Struma) erkennen. Durch die mangelnde Versorgung mit Schilddrüsenhormonen
werden alle Körperfunktionen langsamer – auch der Darm wird träge,
und in der Folge können Verstopfung und dadurch eventuell verursachte
Bauchschmerzen auftreten.
Bei einer Überfunktion wird zuviel Hormon gebildet, und alle diejenigen
Körperfunktionen, die durch die Schilddrüsenhormone gesteuert werden,
laufen schneller ab – z.B. eine gesteigerte Herzfrequenz oder auch eine gestörte
Verdauung mit Durchfällen und/oder Bauchschmerzen können durch die
gesteigerte Darmperistaltik die Folgen sein.
Neben der Über- und Unterfunktion gibt es viele weitere Erkrankungen der
Schilddrüse, beispielsweise eine Entzündung (Thyreoiditis). Verbreitet
sind Entzündungen mit autoimmunen Komponenten, bei denen der Körper das
Schilddrüsengewebe als »fremd« einstuft und bekämpft. Hierbei
kann es zur Überfunktion (Morbus Basedow) oder auch zu einer Unterfunktion
(Hashimoto Thyreoiditis) kommen. Bitte lesen Sie hierzu auch die Antwort auf die
Frage
Ich leide an einer Hashimoto-Thyreoiditis.
Ich habe gelesen, dass diese Krankheit häufiger mit einer Laktose-Intoleranz
einhergeht. Ist das richtig?
Weiterhin sind die gutartigen, so genannten kalten oder heißen Knoten sehr
verbreitet. Ein kalter Knoten ist ein Areal in der Schilddrüse, das keine Hormone
produziert – egal, wie viele Anstöße der Bereich von der Hypophyse
bekommt. Ein heißer Knoten produziert im Gegenteil ständig Hormone,
selbst wenn die Hypophyse signalisiert, es sei genug. Heiße Knoten sind eher
unproblematisch, müssen nur beobachtet werden, damit insgesamt keine
Überproduktion von Schilddrüsenhormonen entsteht. Kalte Konten müssen
nicht, können aber entarten und bösartig werden, somit müssen auch
sie in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.
Diagnostik von Schilddrüsenfunktionsstörungen
Zur Diagnostik reicht für den Anfang das Abtasten durch den Arzt und eine
Blutprobe, bei der im Labor die
Schilddrüsenwerte bestimmt werden. Ggf. kann zusätzlich eine
Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, um die Größe und Beschaffenheit
der Schilddrüse zu ermitteln.
Bei Bedarf kann Sie der Hausarzt auch zu einem auf Schilddrüsenerkrankungen
spezialisierten Nuklearmediziner (Radiologen) überweisen, der ein Szintigramm erstellt.
Hierbei wird nach der Verabreichung harmloser radioaktiver Bestandteile, die sich
in der Schilddrüse ansammeln, die Größe und Funktionsfähigkeit der
beiden Schilddrüsenlappen optisch dargestellt und bewertet.
Wenn Sie jetzt Vorbehalte wegen der Radioaktivität haben, kann ich dies gut
verstehen. Es ist richtig, dass gerade das Schilddrüsengewebe ganz empfindlich
auf radioaktive Strahlung reagiert – nach Tschernobyl häuften sich dort
die Krebserkrankungsfälle. Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass
zumindest für mich die Risiko-/Nutzenabwägung ergibt, dass eine gründliche
Diagnostik und die daraus resultierende Behandlung vorteilhaft sind. Die radioaktiven
Stoffe haben eine extrem kurze Halbwertszeit, so dass sie nach wenigen Stunden
vollständig abgebaut sind. Nach Aussage der Nuklearmediziner besteht für
diese kurze Zeit der wirklich minimalen und überhaupt nicht mit der
Strahlungsintensität von Tschernobyl vergleichbaren Strahlung für das
Gewebe keine Gefahr. Eine eventuelle Entscheidung pro oder contra Szintigramm muss
jedoch jeder für sich selbst treffen.
Behandlung
Schilddrüsenfunktionsstörungen sind relativ häufig und können
mit Medikamenten gut behandelt werden. Meist wird hier das Hormon L-Thyroxin verschrieben,
das die Schilddrüse in ihrer Arbeit unterstützt und entlastet. Medikamente
mit Thyroxin müssen
immer eingeschlichen werden, damit sich der
»entwöhnte« Organismus langsam wieder mit den richtigen Mengen
auseinandersetzen kann. Auch wenn die Ärzte dies wissen, können die
Ratschläge für darmempfindliche Patienten manchmal nicht ausreichend sein.
Haben Sie den Mut, Ihren Arzt zu bitten, die Dosierungen anfangs weitestgehend
zu minimieren und die Dosis wirklich nur sehr langsam zu steigern. Die kleinste
Steigerungsrate ist mit Tropfen zu erreichen, die es (eigentlich für Kinder) gibt:
ein Tropfen enthält hier 5 µg L-Thyroxin. Nicht viele Ärzte wissen,
dass es L-Thyroxin auch in Tropfenform gibt – fragen Sie ggf. gezielt danach.
Weiterhin müssen Sie natürlich – wie bei allen Medikamenten – darauf achten,
dass keine unverträglichen Zusatzstoffe wie beispielsweise Laktose enthalten
sind. Bitten Sie Ihren Arzt nach der Auswahl eines geeigneten Präparates um
das
»aut idem«-Kreuzchen auf dem Rezept, damit Sie in der Apotheke
kein billigeres Ersatz-Präparat bekommen, das eventuell dann doch
unverträgliche Zusatzstoffe enthält.
Nach einer behutsamen Gewöhnung an die erforderliche Thyroxindosis erzeugt
dieses Medikament keine Nebenwirkungen.
Noch ein Hinweis für Menschen, die gerne Sojaprodukte verzehren: Zwischen
der Einnahme von L-Thyroxin-Präparaten und dem Verzehr von Soja ist eine
Zeitspanne von mindestens 2 Stunden einzuhalten, da Soja Thyroxin in seiner
Wirkung beeinträchtigt. Bitte lesen Sie hierzu auch die Antwort auf die Frage
»
Sie empfehlen, die Milch durch
Sojaprodukte zu ersetzen. Ich habe gehört, dass Soja die Kropfbildung der
Schilddrüse begünstigt. Stimmt das?«
Künstlich zugeführtes Jod
Häufig wird bei leichten Unterfunktionen Jod in Tablettenform verschrieben,
weil davon ausgegangen wird, dass dieses Spurenelement, das zur Bildung der
Schilddrüsenhormone erforderlich ist, und u.U. nicht in ausreichender Menge
zur Verfügung steht. Die künstliche Zufuhr von Jod als Medikament oder
auch in jodiertem Speisesalz ist nicht ganz unumstritten – besser ist es aus
meiner Sicht, Jod ausschließlich mit einer gesunden Ernährung aufzunehmen.
Besonders wichtig ist auch der Hinweis, dass bei Schilddrüsenentzündungen
– auch den autoimmunen Formen – kein Jod in Tablettenform oder als
jodiertes Speisesalz gegeben werden darf, denn Jod kann die Entzündungen
fördern.
Jod in der Ernährung
Mit ein wenig Aufmerksamkeit kann man den Jodbedarf für eine gesunde
Schilddrüsenfunktion leicht über die Nahrung decken. Jod ist insbesondere
in Seefisch enthalten – 1-2 Portionen pro Woche gehören zu einer gesunden
Ernährung. Auch Milch, Leber, Eier und Erdnüsse enthalten viel Jod.
Der Jodgehalt von Getreide und Gemüse ist abhängig vom Jodgehalt des
Bodens im Anbaugebiet. Eine ausreichende Versorgung ist bei uns mit einer
abwechslungsreichen, vollwertigen Ernährung mit Fisch, Eiern und ggf.
Milchprodukten (sofern verträglich) in den allermeisten Fällen auch
in den seefernen, so genannten Jodmangelgebieten gesichert.
Auch bei Schilddrüsenentzündungen ist die mit der Nahrung aufgenommene
Jodmenge nicht bedenklich, allerdings sollte der Verzehr des besonders jodhaltigen
Seefischs in diesem Falle nicht übertrieben und auf eine kleine Portion pro
Woche beschränkt werden.
Verdauungsbeschwerden
Ziehen Sie bitte bei Verdauungsbeschwerden immer eine Schilddrüsenfunktionsstörung
in Betracht. Bei immer wiederkehrender Verstopfung sollten Sie Ihren Halsumfang
aufmerksam beobachten und messen – eine einfache Methode, Unterfunktionen rechtzeitig
zu erkennen. Eine Überfunktion kann man allerdings nicht am Halsumfang erkennen.
In jedem Fall sollten Sie bei Verdauungsproblemen auch immer Ihren Hausarzt um
die Untersuchung Ihrer Schilddrüse bitten.
Bitte lesen Sie hierzu folgende Beiträge:
Verdauungsbeschwerden durch Gallenfunktionsstörungen
Verdauungsbeschwerden durch Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse
Parasiten- und Pilzbesiedelung des Darms
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