Den Begriff »Darmflora« kennt mittlerweile jeder, die Fachausdrücke
»Mikrobiota« und »Mikrobiom« wahrscheinlich eher weniger.
Dabei steht die »Mikrobiota« für die Gesamtheit der Lebewesen auf unseren
Körperoberflächen. Der Begriff »Mikrobiom« hingegen wird für die Gesamtheit
der Fremdgene, also der Erbanlagen der bakteriellen Mitbewohner gebraucht, wobei
leider häufig die Begriffe falsch und verwaschen verwendet werden.
Körperoberflächen sind unsere Haut, aber auch die Schleimhäute in Lunge, Mund,
Urogenitaltrakt und in Magen und Darm. Ja, auch der Darm ist eine Körperoberfläche:
Wir müssen uns vorstellen, dass wir wie ein eingestülpter Handschuhfinger aufgebaut
sind, und alles, was mit der Umwelt in Berührung kommt, ist außen. Da auch
unser Verdauungssystem mit Nahrung in Berührung kommt, zählen das Magen- und
Darminnere (das Lumen) auch zur Kategorie »
außen«. »
Innen«
sind hingegen unser Blutsystem, unsere Muskeln, Nerven und die Körperorgane wie
z.B. die Leber oder das Herz.
Im folgenden Beitrag beschränke ich mich bei dem Begriff »Mikrobiota«
auf die Bakterien des Magen-/Darmtrakts – wobei ich eigentlich korrekterweise
die Bezeichnung intestinale oder sogar gastrointestinale Mikrobiota verwenden müsste.
Die Worte »gastro« stehen hierbei für den Magen und »intestinal«
für den Darm.
Der allergrößte Anteil der Bakterien (und vieler weiterer Mikroorganismen,
wobei ich hier in bewusst unkorrekterweise – aber verallgemeinernd und vor
allem vereinfachend – den Begriff Bakterien verwende) lebt im Darm –
genauer gesagt sogar im Dickdarm. Die gesamte intestinale Mikrobiota wiegt geschätzte
ein – zwei Kilogramm und beherbergt mit geschätzten 10
13 etwa genauso viele Einzelindividuen
wie wir Körperzellen haben. Sie enthält
etwa 500 – 800 verschiedene Arten
(Spezies), wobei fast täglich mehr von den Wissenschaftlern entdeckt werden. Die
Forschung an der menschlichen Mikrobiota ist ein inzwischen weit verbreitetes Feld,
auf dem rasante Fortschritte gemacht werden.
Die Mikrobiota – ein eigenes Organ
Wegen der sich immer deutlicher abzeichnenden mannigfaltigen Aufgaben wird die
Mikrobiota neben Herz, Lunge und den anderen Körperorganen inzwischen auch als
ein zu unserem Körper gehörendes, weiteres
Organ bezeichnet. Wenn man bedenkt,
dass uns Menschen ein Überleben ohne eine funktionierende Mikrobiota gar nicht
möglich ist – genauso, wie wir ja auch ohne unser Herz oder unsere Lunge
nicht überleben können – ist dies eine sehr berechtigte Definition.
Am »Mausmodell«, also an lebenden Mäusen, hat man gesehen, dass diese
schon nach wenigen Tagen starben, wenn man ihre Mikrobiota zerstört hatte und in
ihrem Darm keinerlei Mikroorganismen lebten. Natürlich sind Tierversuche nicht 1:1
auf den Menschen übertragbar. Da jedoch schon kleinere Abweichungen vom »Normalen«
erfahrungsgemäß auch bei uns Menschen zu schweren Erkrankungen führen können
(siehe auch Abschnitt »
Mikrobiota und Erkrankungen«),
ist es naheliegend, dass auch wir ohne unsere Darmflora nicht existieren bzw.
gesund bleiben können.
War bisher das Wissen um dieses wichtige Organ nicht existent – immerhin
wurden die Bakterien erst im Jahr 1675 von Antoni van Leeuwenhoek entdeckt, entwickelte
sich dieser Bereich zunächst nur sehr schleppend. Erst in den letzten Jahrzehnten
wurde die Relevanz für unseren Körper und für unsere Gesundheit erkannt, und immer
mehr spezialisierte Wissenschaftler beschäftigen sich mit diesem »neuen«
Organ. Es ist zu hoffen, dass die Bedeutung auch zeitnah in die Ausbildung unserer
Mediziner Einzug erhält, so dass sich auch unsere behandelnden Ärzte hier besser
als leider wie bisher meist üblich auskennen werden.
Schauen wir uns die Bakterien einmal an: Sie tragen meist sehr kryptische Namen,
die bei genauerer Betrachtung jedoch schon viel über ihre Funktionen oder bevorzugten
Lebensräume, aber auch über ihre Entdecker verraten. Meist setzen sich die Namen
aus zwei oder sogar drei Teilen zusammen.
Ein recht bekanntes Bakterium, das Escherichia coli, wurde nach seinem Entdecker
Theodor Escherich benannt und lebt vorwiegend im Dickdarm, dessen Fachausdruck
Colon ist. Von diesem bekannten Bakterium gibt es zahlreiche Untergruppen, die mit
weiteren Namenszusätzen bezeichnet sind. Obwohl wir bei der Erwähnung von Escherichia
coli (abgekürzt E. coli) meist zusammenzucken und an Erkrankungen denken, sind
die meisten Vertreter dieser Gruppe nicht krankeitserregend (pathogen), sondern
nicht nur völlig harmlos und gehören sogar zu einer funktionstüchtigen Darmflora.
Ein weiterer, wichtiger Vertreter einer intakten Mikrobiota ist der Lactobacillus
acidophilus (abgekürzt L. acidophilus), ein Milchsäurebakterium. Die Namensteile
erklären sich aus ihren Funktionen: die lateinischen Ausdrücke für Milch sind »lac«
und für Säure »acidum«, und »philos« kommt aus dem Griechischen
und bedeutet Freund.
Es gibt bereits viele Bakterien, von den wir heute wissen, dass sie uns »freundlich
gesinnt« sind, d.h. dass ihr Leben und Wirken für uns
vorteilhaft ist, aber
es gibt auch eher
schädliche Bakterien. Trotzdem sind wir noch weit entfernt davon,
über alle Bakterien, die uns besiedeln, Bescheid zu wissen, und wir kennen beileibe
auch noch nicht alle.
Unsere Darmflora besteht – genauso wie die Bakterienbesiedelungen der anderen
Körperoberflächen – aus auf diesen Lebensraum spezialisierten Arten, und es
herrscht immer eine Balance zwischen den freundlichen und feindlichen Arten. Jede
Art versucht naturgemäß, so viel Platz für sich zu beanspruchen wie möglich.
Da der Platz auf der Darmschleimhaut insgesamt begrenzt ist, wird eine Art zurückgedrängt,
wenn eine andere sich schneller vermehrt. Idealerweise sollte es so sein und ist
auch in fast allen Fällen so, dass die für uns vorteilhaften Arten sehr viel reichlicher
vertreten sind als die schädlichen, aber auch diese letztgenannten haben durchaus
Funktionen für uns, die nicht unwichtig sind. So trainieren einige der eigentlichen
Schädlinge, solange sie nur in kleineren Anzahlen in unserer Darmflora enthalten
sind, unser
Immunsystem, das sich zu einem großen Teil in unserem Darm befindet.
Wenn keinerlei eigentlich schädliche Bakterien in unserer Darmflora enthalten wären
und dieses Training ausbleiben würde, würden wir bei einer plötzlichen massiven
Kontamination mit diesen Schädlingen sofort erkranken. Sie kennen dies von den
Impfungen, bei denen einige wenige teils abgeschwächte Krankheitserreger gezielt
in unseren Organismus gebracht werden, der diese Erreger auf diese Weise schon einmal
kennenlernen und Antikörper bilden kann, die dann im Ernstfalle rasch aktiviert
werden können.
Aber zurück zu den »Guten«: Diese Bakterien haben
zahlreiche Aufgaben
– und ich bin sicher, dass wir längst noch nicht alle kennen. Bis jetzt ist
bekannt, dass sie uns beim
Verarbeiten schwer oder sogar unverdaulicher
Nahrungsbestandteile helfen, dass sie bestimmte
Vitamine bilden, dass sie für eine
gesunde Darmschleimhaut und den dafür erforderlichen
Darmschleim sorgen und dass
sie das für ihr eigenes Überleben so wichtige
Säuremilieu im Darm schaffen. Aber
sie sorgen auch für die
Kommunikation mit anderen Regionen in unserem Organismus
und ermöglichen es sogar, dass sich unser Bauch mit unserem Kopf über die die
sogenannte Darm-Hirn-Achse (Gut-Brain-Axis) »unterhalten« kann.
In unserem Darm herrscht also immer ein ausgeklügeltes System zwischen den zahlreichen
Bakterienarten. Wie aber sind die Bakterien in unseren Körper gelangt?
Entstehung der Mikrobiota
Wenn wir geboren werden, gibt es in unserem Darm nur sehr, sehr wenige verschiedene
Bakterienarten und diese auch nur in sehr geringen Anzahlen von einzelnen Individuen.
Bis vor einigen Jahren hat man sogar angenommen, dass wir keimfrei auf die Welt kommen.
Man hat jedoch entdeckt, dass bereits im Mekonium, dem sogenannten Kindspech, also
dem ersten Stuhl, den der Säugling ausscheidet, einige Bakterien vorhanden sind.
Diese muss
der Embryo im Mutterleib von seiner Mutter erhalten haben. Während der
Geburt jedoch nimmt das Neugeborene zahlreiche Keime aus der
mütterlichen
Scheiden- und Darmflora auf, die dann den ersten wichtigen Grundstock für die
Entwicklung der eigenen Darmflora bilden. Weiter geht es beim Stillen: in der
Muttermilch sind nicht nur weitere Bakterienarten – vor allem Milchsäurebakterien
– enthalten, sondern praktischer Weise auch gleich das »
Futter«
für diese Bakterien. Mit dem
Milchzucker (Laktose), einem Zweifachzucker, und bestimmten
Mehrfachzuckern (
Humane Milch-Oligosachharide, HMO) werden die Milchsäurebakterien gefüttert, so dass sie sich rasch
vermehren können und aus diesen Nahrungsbestandteilen u.a. Milchsäure bilden können,
die das Säuremilieu im kindlichen Darm für die sich entwickelnde Darmflora optimiert.
Per
Kaiserschnitt geborene Kinder haben es nicht ganz so gut. Sie werden zum Beginn
ihres Lebens hauptsächlich mit der Hautflora der Mutter besiedelt, da sie ja nicht
durch den natürlichen Geburtskanal gelangen. Wenn sie nach ihrer Geburt der Mutter
auf den Bauch gelegt und von ihren Händen gestreichelt werden, nehmen sie die dort
siedelnden Bakterien auf. Benachteiligt in Bezug auf die Darmflora sind auch Kinder,
die nicht gestillt werden, denn die künstliche Milchnahrung enthält die für die
Muttermilch spezifischen Bestandteile nicht (lesen Sie hierzu auch den Abschnitt
»
Schwangerschaft – was kann ich für mein Kind tun?«).
Allerdings forscht die Nahrungsmittel-Industrie daran,
Milch-Ersatznahrungen zu entwickeln, denen die HMO künstlich zugesetzt werden.
Weiterhin wichtig für die Entwicklung der Darmflora sind die
hygienischen Umstände, unter denen
das Baby und Kleinkind dann aufwächst. Darf es auf dem Fußboden krabbeln und
im Sandkasten spielen und ab und an ein Schippchen Dreck in den Mund nehmen, gelangen
viele verschiedene Keime in seinen Darm – und dies sind keineswegs nur »gefährliche«
sondern können durchaus nutzbringend sein, denn sie trainieren zumindest das Immunsystem (natürlich muss
sich dies aber immer alles im Rahmen halten). Wenn das Kind jedoch in einer eher keimarmen
Umgebung aufwächst und die Mutter ohne Not alles und jedes desinfiziert, finden
sehr viel weniger Bakterienarten den Weg in den Darm, so dass die
Verschiedenartigkeit
(Diversität) der Keime reduziert ist.
Je nachdem, in welchen Umständen das Kind geboren und aufgewachsen ist, bildet
sich auf dieser Basis
im Laufe der ersten drei Lebensjahre eine Mikrobiota, die
den Menschen sein Leben lang begleitet. Und so ist die Darmflora eines jeden Menschen
ganz einmalig und individuell. Würde ein Einbrecher ein Häufchen am Ort seiner Untat
hinterlassen, könnte ein Fachmann den Dieb genauso identifizieren wie mit seinem Fingerabdruck.
Mikrobiota und Darmschleimhaut
Es wäre übrigens sehr einseitig, nur die Darmflora allein zu betrachten. Immer muss
auch
die Qualität der Darmschleimhaut beachtet werden, denn beide bedingen sich
gegenseitig. Die Schleimhaut und die darauf liegende
Schleimschicht bildet das Nest
für die Darmbakterien, die wiederum mit Ihren Stoffwechselprodukten die Schleimhautzellen
füttern. Bitte lesen Sie hierzu auch den Beitrag
»
Darmschleimhaut – Aufbau, Funktionen, Pflege und Sanierung«.
Diese Zellen sind nicht an den Blutkreislauf angeschlossen. Sie erneuern sich innerhalb
weniger Tage – so schnell kann sich kein Adersystem bilden, das eine Versorgung
über das Blut sicherstellen würde. Somit müssen die Schleimhautzellen auf anderem
Wege ernährt werden, nämlich zum einen durch
kurzkettige Fettsäuren, die von den
Darmbakterien gebildet werden. Zum anderen kann so der Darmschleim
(in der Fachsprache »Mucus« oder »Mucin« genannt) immer wieder
erneuert werden, der ebenfalls die Schleimhautzellen mit Nährstoffen versorgt.
Auch sind es die verschiedensten von den Darmbakterien produzierte Substanzen,
die eine
reibungslose Funktion aller Verdauungsvorgänge im Darm zu steuern. Und
ohne eine »gute« Verdauung kann sich keine robuste Darmflora entwickeln,
denn so werden neben unverdauten Speiseresten auch alte, abgestorbene Darmschleimhautzellen,
aber auch abgestorbene Darmbakterien entsorgt und machen Platz für eine neue Bakteriengeneration.
Es ist also weder zu möglich, dass in einer kranken Schleimhaut eine gesunde Mikrobiota
wohnt, noch gibt es eine gesunde Darmschleimhaut ohne eine stabile Darmflora. Anders
ausgedrückt:
Eine gesunde Darmflora benötigt immer eine gesunde Darmschleimhaut,
und eine gesunde Darmschleimhaut benötigt immer eine gesunde Darmflora.
Mikrobiota und Erkrankungen
Wenn ein Kind zu wenige Möglichkeiten hatte, eine stabile Darmflora zu entwickeln
und/oder eine robuste Mikrobiota im Laufe des Lebens durch verschiedene Einflüsse
gestört wird, kann
die Gesundheit ernsthaft gefährdet werden.
Bei vielen Erkrankungen ist der Zusammenhang mit einer entgleisten Darmflora bekannt.
Dass der als »Montezumas Rache« gefürchtete
Reisedurchfall mit einer
Überschwemmung mit schädlichen Keimen, die man mit unhygienisch zubereiteten Speisen
zu sich nimmt, zusammenhängt, die die freundlichen Darmkeime zurückdrängen, ist
eine Binsenweisheit. Und dass es meist oder zumindest zuerst die Reiseteilnehmer
trifft, deren Darmflora auch vor der Reise schon in keinem guten Zustand gewesen
ist, wissen zumindest die Fachleute.
Die Kenntnis darüber, dass auch schwerere und chronische Erkrankungen mit einer
mangelhaften Mikrobiota in Zusammenhang stehen, setzt sich leider erst sehr langsam
unter den Medizinern durch. Hier wären als zwei Beispiele (unter vielen anderen)
die
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CeD) wie der Morbus Crohn oder die
Colitis ulcerosa zu nennen, bei denen sehr viel weniger verschiedene Bakterienarten
in der Darmflora leben als eigentlich wünschenswert wäre. Aber auch viele andere
Erkrankungen wie
Diabetes oder
Allergien und viele andere mehr werden mit einer
reduzierten Diversität (Vielfältigkeit) der Mikrobiota in Verbindung gebracht (lesen
Sie hierzu auch den Abschnitt »
Diversität«).
Auch die
Stabilität des Immunsystems hängt ganz eng mit einer guten Darmflora zusammen.
Wenn man beispielsweise einen grippalen Infekt mit
Antibiotika behandelt (wobei diese
Erkrankungen meist durch Viren verursacht werden, gegen die Antibiotika ohnehin
wirkungslos sind), mindert man die Qualität der Mikrobiota massiv. Gibt man nun
dem Körper nicht genügend Zeit, sich und seine Darmflora zu regenerieren, folgen
in immer kürzeren Abständen erneute Erkrankungen, weil die gestörte Darmflora den
abermaligen Angriffen von Eindringlingen keine ausreichende Schutzmacht mehr
entgegensetzen kann (lesen Sie hierzu bitte auch den Abschnitt »
Antibiotika«).
Mittlerweile werden auch viele weitere und sehr verschiedene Erkrankungen wie
Zöliakie,
Autismus,
Alzheimer Demenz, die
Parkinson‘sche Krankheit oder sogar die
Fettleibigkeit
und viele andere mit der Darmflora in Verbindung gebracht. Nicht immer soll eine
unausgeglichene Balance der Auslöser sein, aber oft kann der Grad einer Erkrankung
mit der mehr oder weniger ausgeprägten Abweichung in Zusammenhang gebracht werden.
Mikrobiota und Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Auch die Entwicklung und vor allem auch die Ausprägung
von
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten können mit der
Qualität der Mikrobiota in engem Zusammenhang stehen.
Unverträglichkeiten von bestimmten Nahrungsmitteln wie
u.a. Laktose (Milchzucker) oder Fruktose (Fruchtzucker)
treten auf, wenn die diese Stoffe verarbeitenden Enzyme
bzw. Transportproteine nicht in ausreichender Menge zur
Verfügung stehen. Diese Stoffe werden in den Zellen der
Dünndarmschleimhaut gebildet. Mangelt es an dem einen oder
anderen Enzym oder Transportprotein, gelangen die unverdauten
Stoffe in den Dickdarm, wo sie von den Dickdarmbakterien
verstoffwechselt werden. Dabei entstehen viele Säuren und
Gase als Abbauprodukte, die u.a. als Bauchschmerzen, Blähungen und/oder
Durchfälle Probleme bereiten. Werden hingegen ausreichend
Enzyme und Transportproteine in den Schleimhautzellen
gebildet, können die Nährstoffe bereits im Dünndarm verarbeitet
und ins Blut überführt werden. In diesem Falle gelangen
keine oder nur kleinere Restmengen in den Dickdarm, und
die Abbauprodukte halten sich in Grenzen und machen keine
Beschwerden.
Wie weiter oben beschrieben, hängen die Qualität und damit
die Funktionsfähigkeit von Darmflora und Darmschleimhaut
eng zusammen. Lässt die Zusammensetzung der Darmflora zu
wünschen übrig, ist auch der Zustand der Darmschleimhautzellen
minderwertig.
Schlechter ernährte Zellen können nun aber
weniger Enzyme und Transportproteine produzieren, so dass
die Nährstoffe unvollkommener verarbeitet werden.
Sind darüber hinaus auch noch Mikroentzündungen vorhanden,
führt dies zu einer weiteren Reduktion der Enzymproduktion
und somit zu einer weiteren Verstärkung der Unverträglichkeitsreaktionen.
Zusätzlich sind mangelernährte Schleimhautzellen dünner und
weniger fest miteinander verbunden, so dass sich zwischen
den Zellen Durchlässe bilden. Nun können unverdaute
Nahrungsbestandteile leichter zwischen diesen Zellspalten
hindurchschlüpfen und ins Körperinnere gelangen. Die
Folgen können
allergieähnliche Symptome,
Müdigkeit,
Kopfschmerzen
und viele andere unspezifische Anzeichen sein. Man nennt
dieses Phänomen das »
Leaky-Gut-Syndrom«
(leak = undicht; gut = Darm; engl.).
Wird durch eine geeignete Sanierung der Mikrobiota auch die Darmschleimhaut
wieder aufgebaut, gehen Unverträglichkeiten, sofern sie nicht
erblich bedingt sind, zu einem Teil wieder ganz oder zumindest
in ihrer Intensität deutlich zurück.
Gute Bakterien am falschen Ort
Die meisten Bakterienarten haben ihre ganz speziellen
»Wohnorte« – d.h. es ist wichtig, wo im
Verdauungssystem sie leben. Wenn Bakterien, die normalerweise
in den Dickdarm gehören und dort ihre sinnvollen Aufgaben haben,
durch ungünstige Umstände
in den Dünndarm wandern, können
sie hier, obwohl sie ja eigentlich zu den »Guten«
gehören, Unheil anrichten.
Wenn wir bei diesem Beispiel bleiben: Im Dickdarm leben u.a.
Bakterien, die die kleinen Restmengen Kohlenhydrate verstoffwechseln
sollen, um auch noch das letzte bisschen Energie aus den
verzehrten Lebensmitteln herauszuholen (unser Verdauungssystem
funktioniert (leider) noch wie vor tausenden von Jahren, als
der Mensch noch nicht in dem Überfluss lebte, wie wir es
heute meist gewohnt sind). Da die Kohlenhydrate unter normalen
Umständen zum allergrößten Teil im Dünndarm aufgenommen werden,
sind die Restmengen klein und die bei der bakteriellen
Verstoffwechselung entstehenden Abfallprodukte entsprechend
unproblematisch.
Auch wenn diese Bakterien in den Dünndarm gewandert sind,
verrichten sie ohne Rücksicht auf die Standortänderung weiter
ihre angestammte Aufgabe und
verstoffwechseln Kohlenhydrate.
Hier im Dünndarm jedoch ist das Angebot überreichlich, denn
die Kohlenhydrate werden ja erst im Verlauf des 5 – 6
Meter langen Dünndarms nach und nach über die Schleimhaut
ins Blut aufgenommen. Somit leben die Bakterien hier wie
im Schlaraffenland und bekommen mehr als genügend »zu
fressen« – mit der Folge, dass auch
sehr große
Abgasmengen entstehen, die entsprechend große Probleme
bereiten. Diese Störung nennt man »
Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO)«.
Die Behandlung besteht darin, die ja eigentlich ganz normalen
Bakterien an diesem Ort zu vertreiben, so dass sich eine
für diesen Bereich normale Flora ausbreiten kann. (Lesen
Sie hierzu auch den Beitrag zum Thema
»
Dünndarmfehlbesiedelung
und ihre Behandlung« und das Buch
Dünndarmfehlbesiedelung – erkennen, verstehen, erfolgreich behandeln)
Um sich einen Überblick über die Qualität Ihrer Mikrobiota zu verschaffen möchten,
stehen die verschiedensten
Stuhltests zur Verfügung. Leider können auch diese Tests,
ebenso wie die Probiotika, inzwischen problemlos vom Laien im Internet bestellt
werden. Mit den Ergebnissen kommen auch gleich eher allgemein gehaltene Behandlungsvorschläge,
die dann mit mehr oder (meist) weniger Erfolg umgesetzt werden.
Die Misserfolge gründen sich auf die Tatsache, dass das Labor, das ja nur das
Stuhlpröbchen sieht, keinerlei Informationen über Ihre Ernährungs- und Lebensumstände
kennt und so die Ergebnisse nicht mit diesen Voraussetzungen in Beziehung setzen kann.
Zudem kosten die Tests nicht wenig Geld, das Sie mit Sicherheit nicht gerne zum
Fenster hinauswerfen möchten.
Früher bestanden die Ergebnisse solcher Tests oft nur aus einer Aufzählung der
kryptischen Bakteriennamen und deren Menge – immerhin in Beziehung gesetzt
zu den Referenzwerten, die Auskunft gaben darüber, ob sich ein ermittelter Wert
im Rahmen oder außerhalb der angenommenen Toleranz bewegte. Aber so richtig
anfangen konnte der ungeübte Leser mit diesen Ergebnissen nichts. Und so wundert
es mich nicht, in den einschlägigen Internetforen immer wieder die Bitte um Hilfestellung
bei der Bewertung eines Stuhltestergebnisses zu finden.
Seit kurzem jedoch gibt es besser interpretierbare Tests, denn diese teilen die
Bakterienarten nach ihren
Funktionsgruppen ein, so dass besser nachvollzogen werden
kann, wo der »Hase im Pfeffer liegt«.
Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, liegt jedoch weiterhin in den
Händen der Spezialisten, denn die Labore dürfen zwar generelle Ratschläge für bestimmte
Muster geben, jedoch dürfen sie weder individuelle Therapievorschläge noch Empfehlungen
für geeignete Präparate abgeben. Und dies ist auch gut so, denn aus einer Stuhlprobe
kann man – wie gesagt – keine Rückschlüsse auf die individuelle Situation
des Probanden ziehen.
Deshalb ist es wichtig,
sich kompetent beraten zu lassen, um auch bei diesen Tests
nicht nur die richtigen – sprich dem Beschwerdebild angemessenen –
Parameter zu beauftragen, sondern danach aus den Ergebnissen auch die richtigen
Schlussfolgerungen zu ziehen.
Diversität der Mikrobiota
Alle Bakterienarten beeinflussen nicht nur ihren Wirt, also den Menschen, sondern
sie beeinflussen sich auch gegenseitig. Es ist vorteilhaft, wenn in der Mikrobiota
möglichst viele verschiedene Bakterienarten enthalten sind. Um dies zu erklären,
benutze ich einmal ein sehr vereinfachtes Beispiel: Wären nur zwei Arten vorhanden,
die sich den vorhandenen Platz auf der Darmschleimhaut teilen, könnte beim Ausfall
einer dieser beiden Arten die andere plötzlich den gesamten Platz für sich beanspruchen.
Wenn diese überlebende Art ein uns feindlich gesinntes Bakterium ist, wären wir
schlecht dran. Wenn jedoch zahlreiche verschiedene Arten in unserem Darm leben,
ist der Ausfall oder auch eine Verminderung der einen oder anderen Art nicht so
schwerwiegend, weil dann die anderen Arten immer noch bis zu einem gewissen Grade
das Gleichgewicht halten können.
Besonders wichtig ist der Blick auf die Diversität bei einer
Behandlung mit Antibiotika, die ja bestimmte
Bakterienarten vernichten sollen (der Name setzt sich aus den Teilen »anti« =
gegen und »bios« = Leben zusammen). Da diese hochwirksamen Mittel aber
immer auch viele andere Arten als nur einen bestimmten Krankheitserreger abtöten
oder zumindest dezimieren,
schützt eine möglichst gute Mikrobiota mit vielen verschiedenen
Bewohnern besser als eine von vorne herein in ihrer Diversität gestörte Mikrobiota.
Ich möchte betonen, dass wir mit den Antibiotika unverzichtbare Mittel gegen früher
häufig tödlich verlaufende Erkrankungen in der Hand haben. Sie werden jedoch leider
viel zu häufig und oft auch vollkommen überflüssiger Weise eingesetzt, so dass sich
unsere Mikrobiota nach einer Antibiose kaum noch regenerieren kann. Es benötigt
mehrere
Monate bis sogar Jahre, bis sich die ursprüngliche Balance und Diversität wieder
weitgehend vollständig einstellen kann. Wenn nun innerhalb dieser Regenerationsphasen
erneut Antibiotika eingenommen werden, wird die Vielfältigkeit immer weiter reduziert
und erlangt nie wieder eine gesunde Diversität. Ein
kluges Abwägen, wann tatsächlich
ein Antibiotikum erforderlich ist und wann nicht, ist also für unsere Mikrobiota sehr wichtig.
Hinzu kommt, dass wir leider, auch wenn wir selbst keine Antibiotika einnehmen,
dauerhaft mit kleineren Mengen dieser bakterienabtötenden bzw. -schädigenden
Substanzen ausgesetzt sind. Viele Fleischproduzenten setzen unerlaubterweise
Antibiotika als Mastmittel ein, so dass Reste im Fleisch zurück bleiben. Mit der
Gülle, in der sich ebenfalls Antibiotikareste befinden, werden die Felder gedüngt,
und
im Trinkwasser befinden sich Spuren, die die Wasserwerke nicht ausfiltern können.
So nehmen wir mit jeder Mahlzeit und jedem Glas Leitungswasser Spuren dieser Substanzen
auf, die dann unsere Mikrobiota beeinträchtigen. Auch hier hat man in zahlreichen
Versuchen am Mausmodell nachweisen können, dass bereits diese Kleinstmengen ausreichen,
die Qualität unserer Mikrobiota entscheidend und dauerhaft zu beeinträchtigen.
(Lesen Sie hierzu auch den Beitrag zum Thema »
Antibiotika und Darmgesundheit«)
Andere Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel
Neben den Antibiotika können auch viele andere Medikamente – seien sie vom
Arzt verschrieben oder frei verkäuflich –
unerwünschte Wirkungen auf die
Mikrobiota haben. Schauen Sie doch einmal in den Beipackzettel: meist stehen hier
die Magen-/Darmbeschwerden unter den besonders häufigen Nebenwirkungen. Ganz vorne
in der Liste der darmfloraschädlichen Substanzen rangieren u.a.
Schmerzmittel wie
ASS oder Ibuprofen – und wer von uns hat nicht schon einmal eine solche
Tablette geschluckt, um seine Kopf- oder Zahnschmerzen zu bekämpfen?
Weiterhin sind oft Beeinträchtigungen der Mikrobiota zu erwarten, wenn
viele
verschiedene Medikamente gleichzeitig genommen werden (müssen). Und das ist ja
auch kein Wunder, denn alle diese Mittel enthalten Substanzen, die unsere kleinen
Mitbewohner, die ja samt und sonders sehr viel älter sind als der Mensch (und erst recht älter als die Pharmaprodukte), gar
nicht kennen und somit besonders empfindlich auf diesen Chemikalien-Cocktail reagieren.
Auch die Einnahme vermeintlich nützlicher
Nahrungsergänzungsmittel wie
Vitamine,
Mineralstoffe oder auch die ganzen Kapseln oder Tabletten mit angeblich ach so
gesunden Stoffen aus allerhand als
Superfood gehandelten Pflanzen, können sich
negativ auf die Mikrobiota auswirken. Nicht nur die Inhaltstoffe allein, die ja
aus ihrer pflanzlichen Gesamtheit isoliert worden sind, sind oft – vor allem,
wenn sie
überdosiert werden – eher schädlich als nützlich. Zudem sind sie
in den meisten Fällen ohnehin überflüssig. Und die meist in großer Anzahl
zugegebenen
Hilfs- und Zusatzstoffe lassen dann das Fass gänzlich überlaufen. All
die gut gemeinten Mittelchen schaden dann eher als dass sie nützen, denn eine
gesunde Mikrobiota ist einer der wichtigsten Faktoren, die unsere Gesundheit und
unser Wohlbefinden mitbestimmen.
Protonenpumpenhemmer (PPI)
Neben den verschiedenen Medikamenten – insbesondere den weiter oben angeführten
Antibiotika – wirkt sich die Einnahme der sogenannten
Protonenpumpenhemmer
(Protonenpumpeninhibitoren, kurz PPI) besonders schädlich auf die Balance der
Mikrobiota aus. Diese Medikamentengruppe (mit Wirkstoffen, deren Namen meist auf »azol« enden)
sind in geringeren Dosierungen aus Profitgründen der Krankenkassen leider sogar
frei
verkäuflich und werden von vielen Medizinern bei der Verordnung anderer Mittel leider
genauso leichtfertig wie gerne als »
Magenschutz« gleich mitverschrieben
– oder können vom Patienten in der Apotheke ohne Probleme und ohne Rezept
erworben werden. Das Wort »Magenschutz« suggeriert, dass Sie sich und
Ihrem Magen etwas Gutes tun, doch lesen Sie sich einmal den meterlangen Beipackzettel
durch: ganz oben auf der Liste der möglichen Nebenwirkungen sind die diversen
Probleme mit Magen, Darm und Verdauung aufgeführt!
Diese Mittel drosseln die Produktion der
Magensäure, die
für die Verarbeitung
insbesondere der Eiweiße unerlässlich ist, stark (die sogenannte Protonenpumpe
im Magen hemmen). Deshalb werden diese Proteine nicht mehr korrekt aufgeschlüsselt,
was
für die gesamte Verdauung fatale Folgen hat. Der unzureichend verarbeitete
Speisebrei und das veränderte Säuremilieu in Magen und im weiteren Verlauf auch im
Darm
belasten die Mikrobiota, was letztendlich zu einer umfassenden Entgleisung dieses
empfindlichen Organs führen kann.
Die folgenden Verdauungsbeschwerden versucht der unaufgeklärte Patient mit weiteren
und/oder sogar verstärkten PPI-Einnahmen zu bekämpfen –
ein fataler Teufelskreis!
Es ist sehr schade, dass hier die Mediziner erstens nicht selber besser informiert
sind und sich zweitens nicht die Zeit nehmen, ihre Patienten darüber zu aufzuklären,
welche Folgen eine unkontrollierte und viel zu lange Einnahme dieser Mittel haben.
Und die Apotheker, die ja eigentlich auch über Nebenwirkungen informieren sollten,
haben daran wahrscheinlich eher kein wirkliches Interesse, denn diese Präparategruppe
bildet inzwischen
eine ihrer größten Einnahmequellen.
Viele Menschen wissen bereits um die Bedeutung der Mikrobiota. Deshalb versuchen
sie, bei Verdauungsbeschwerden mit den mittlerweile in Apotheken, aber sogar auch
in Drogeriemärkten und im Internet erhältlichen
Probiotika ihre Verdauung zu
unterstützen. Das Wort Probiotika setzt sich zusammen aus dem Teil »pro«,
der »für« bedeutet und dem bereits bekannten Teil »bios« (Leben). Probiotika
sind
lebende Keime, die die Qualität der Mikrobiota mit guten Mikroorganismen anheben
sollen. Das könnte tatsächlich – sofern die »richtigen« Keime
ausgewählt werden – funktionieren, aber es ist schon eine Menge Vorwissen
erforderlich, um diese Auswahl zu treffen. Darüber hinaus wirken die Probiotika
nur vorübergehend (temporär), denn diese Keime siedeln sich nicht in der Mikrobiota
an und verlassen den Körper nach relativ kurzer Zeit wieder.
Wählt man die zur Situation passenden probiotischen Präparate aus, sind diese
jedoch in der Lage, eine »schlechte« Mikrobiota
vorübergehend so zu unterstützen,
dass die eigenen, guten Keime bessere Chancen haben, wieder vermehrt Fuß zu fassen.
Man kann jedoch seiner Mikrobiota mit einem unpassenden Präparat durchaus auch einen
Bärendienst erweisen und eher
negative Effekte mit einer solchen Einnahme erzielen
– abgesehen davon, dass man in diesem Falle sein Geld für die oftmals teuren
Präparate zum Fenster hinauswirft.
Es gibt mittlerweile hunderte verschiedene Präparate mit teils abenteuerlichen
Mischungen. In den meisten Fällen
ungeeignet sind Mittel, in denen
mehr als sechs bis
acht verschiedene probiotische Stämme enthalten sind, weil die spezifischen Wirkungen
der einzelnen Arten sich
unkalkulierbar beeinträchtigen könnten. Das Prinzip »viel
hilft viel« ist in Bezug auf die Anzahl der verschiedenen Arten also falsch.
Wichtig ist neben der »richtigen« Auswahl auch die Menge der jeweiligen
enthaltenen Keime, d.h. es sollte eine Menge von
mindestens 109 KbE enthalten sein
(KbE steht für Kolonien-bildende Einheiten), damit auch genügend Mikroorganismen
die Säurebarriere im Magen überwinden und in den Darm gelangen können. In
Bezug auf die Menge der einzelnen Bakterien ist der Grundsatz »viel hilft
viel« somit durchaus berechtigt.
Auf jeden Fall sollten Sie sich von einem
auf die Mikrobiologische Therapie spezialisierten Berater bei der Auswahl
für Ihre ganz individuelle Situation helfen lassen. Hören Sie bitte nicht auf den
gut gemeinten Rat von Freunden oder auch von Mitgliedern bestimmter Internet-Communities
– Ihre persönliche Situation ist auf jeden Fall eine andere als die von diesen
wohlmeinenden Mitmenschen, und
was dem einen geholfen hat, kann dem anderen u.U.
sogar eher schaden als nützen. Ein Probiotikum muss immer ganz individuell für Sie
persönlich ausgewählt werden! Ggf. kann es erforderlich sein, neben der Betrachtung
Ihrer Beschwerden vor der Auswahl und Einnahme eines Probiotikums mit einem Stuhltest
eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands durchzuführen. Bitte lesen Sie hierzu den
Abschnitt
»Diagnostische Methoden«.
Präbiotika und Synbiotika
Neben den Probiotika gibt es auch noch die sogenannten
Präbiotika. Die Vorsilbe
»prä« bedeutet vor. Diese Mittel enthalten meist für den Menschen unverdauliche
Mehrfachzucker, die aber
Leckerbissen für die guten Darmbakterien und auch für die
probiotischen Keime in den entsprechenden Mitteln darstellen. Sollten Sie ein probiotisches
Präparat empfohlen bekommen haben, das nicht schon kleinere Mengen an präbiotischen Substanzen enthält
(Synbiotikum), ist es meist sinnvoll, separat auch ein Präbiotikum
einzunehmen, um die erwünschten Darmbakterien zu füttern. Allerdings
enthalten
auch viele Lebensmittel präbiotische Substanzen, so dass mitnichten immer die Einnahme
von zusätzlichen Präparaten erforderlich ist. Die vielen leckeren Obst- und Gemüsesorten
schmecken nicht nur den Darmbakterien, sondern auch uns selbst.
Schlaue Hersteller von Probiotika stecken in ein- und dieselbe Kapsel oder das Beutelchen
nicht nur die probiotischen Keime, sondern geben mit zugesetzten präbiotischen
Substanzen den Mikroorganismen gleich ein Picknickkörbchen mit auf die Reise in
Ihren Darm – gar nicht so dumm! Diese Mittel heißen
Synbiotika, wobei
die Vorsilbe »syn« für zusammen steht. Der Begriff ist jedoch heute
kaum noch gebräuchlich, da in den meisten Probiotika aus den beschriebenen Gründen zusätzliche präbiotische
Substanzen enthalten sind.
Menschen, die mit Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten oder einer Dünndarmfehlbesiedelung zu kämpfen haben, haben
oftmals Bedenken, wenn sie sehen, dass in einem Präparat neben den probiotischen Bakterienstämmen auch präbiotische
Substanzen enthalten sind, denn gerade Präbiotika (wie z.B.
Inulin) machen sehr häufig Probleme. Ich kann diese
Bedenken verstehen, kann Ihnen aber versichern, dass die Mengen der Präbiotika – zumindest in guten Präparaten –
so gering sind, dass sie tatsächlich »nur« der Reiseproviant für die Probiotika sind und keine zusätzlichen
Beschwerden erzeugen. Aber auch hier gibt es erstens leider auch unlöbliche Produktbeispiele und zweitens können, sofern
die Ablehnung zu groß ist, auch Alternativen gefunden werden.
Wenn Sie Ihre Mikrobiota in bestimmten Fällen unterstützen müssen –
beispielsweise
nach (oder idealerweise bereits während) einer antibiotischen Behandlung – lassen Sie sich bitte beraten, welche
Präparate für Sie geeignet sind. In die Entscheidung mit einbezogen werden müssen
immer die gegebenen Voraussetzungen, die gesundheitliche Gesamtsituation und
Grunderkrankung(en), die zu erreichenden Ziele und vieles mehr. Vielleicht können
Sie auch Gutes erreichen, indem überflüssige Medikamente und/oder Nahrungsergänzungsmittel
reduziert oder weggelassen werden.
Bedenken Sie bitte auch, dass die Probiotika nicht nur falsch ausgewählt sein
und somit
eher Schaden als Nutzen anrichten können, sondern dass diese Präparate auch viel
Geld kosten – insbesondere die qualitativ hochwertigen. Es wäre doch schade,
wenn Sie dieses Geld umsonst ausgeben würden! Nicht immer ist es sinnvoll, zahlreiche
verschiedene Präparate einzunehmen – im Allgemeinen ist es klüger, nach dem Prinzip
»weniger ist mehr« zu entscheiden.
Ein ganz wichtiger Hinweis: Sollten Sie Art und Menge der vom Arzt verschriebenen
Medikamente verändern wollen, tun Sie dies bitte
auf keinen Fall auf eigene Faust,
sondern besprechen Sie dies auf jeden Fall mit dem Mediziner. Sie dürfen und sollten
aber gerne kritische Fragen stellen und Denkanstöße geben.
Eigentlich müsste dieser Abschnitt ganz zu Anfang dieses Beitrags stehen, denn
Ihre Ernährung ist einer der wichtigsten Faktoren für die Qualität Ihrer Mikrobiota.
Nicht nur Sie ernähren sich von dem was Sie essen, sondern Sie ernähren auch Ihre
Darmbakterien. Und so, wie Ihnen bestimmte Lebensmittel besser oder schlechter
schmecken und bekommen, so schmecken und bekommen diese Lebensmittel auch Ihren
Darmbakterien. Zu viel Zucker beispielsweise bekommt weder Ihnen noch Ihren fleißigen Mitarbeitern
im Bauch. Gesundes Gemüse und Obst hingegen mögen sie gerne. Aber auch hier kann
es zu viel des Guten sein, und zu viel Hülsenfrüchte oder auch Kohl und Zwiebeln
– alles an sich sehr gesunde Lebensmittel – können trotz allem Beschwerden
verursachen, weil die Darmbakterien die dort enthaltenen Nährstoffe nicht richtig
verarbeiten können und dies mit
Gasen und ungesunden Säuren als Abfallprodukte quittieren.
Essen Sie jedoch
angemessen, können sich die guten Darmbakterien verstärkt fortpflanzen und die
gesunde Balance stabilisieren.
Ich benutze hier ganz bewusst das Wort »angemessen« und sage nicht
»gesund«, denn es gibt nicht
DIE gesunde Kost. Was für den einen angemessen
ist, muss für den anderen nicht unbedingt bekömmlich sein. Hier kommt es immer
auf
die eigene Mikrobiota, aber auch beispielsweise auf bestimmte
Unverträglichkeiten
und
Allergien und
viele weitere Faktoren an. Meist sagt Ihnen Ihre Erfahrung und Ihr
eigenes Buchgefühl, was bekömmlich für Sie ist. Das heißt aber nicht unbedingt,
dass jahrelange Gewohnheiten auf Dauer für Sie zuträglich sind – vor allem nicht, wenn Sie
Ihren Speisezettel immer weiter einschränken. Sich hier einmal
individuell beraten zu lassen,
bevor sich
Beschwerden bemerkbar machen, wäre eine lohnende Investition für Ihre Gesundheit.
Es lohnt sich übrigens auch, ab und an für einige Zeit überhaupt nichts zu essen,
also zu
fasten. Das muss kein Heilfasten sein, das meistens mehrere Tage bis
sogar Wochen dauert – es reicht schon, dem Darm eine Erholungspause von
beispielsweise einem einzigen Tag zu gönnen. Auf diese Weise vermeiden Sie, dass Sie dauernd Stoffe verzehren,
die das Verdauungssystem belasten. Aber es gibt noch einen weiteren, wichtigen
Aspekt, der erst vor ganz kurzer Zeit von den Forschern entdeckt wurde: Die
Stammzellen, aus denen sich immer wieder neue Darmschleimhautzellen bilden und die sich
ja alle 3 – 4 Tage erneuern, können sich
unter einer kurzen
Nahrungskarenz erholen und danach mit »frischer Kraft« ihrer
Aufgabe nachkommen. Sie erreichen mit dieser einfachen Maßnahme, dass
Ihre
Darmschleimhaut sehr viel leistungsfähiger bleibt.
Diese Erkenntnis ist
zwar neu, aber eigentlich ist es ein uralter Vorgang, denn unsere Vorfahren
mussten häufiger fasten, wenn sie keine Nahrung fanden. Und so gut wie alle
Religionen haben sich dies von der Natur abgeschaut und empfehlen zu
bestimmten Zeiten, auf Nahrung zu verzichten. Wenn Sie nicht aus religiösen
Gründen fasten möchten, tun Sie es aber vielleicht in kleinerem Rahmen
(z.B. alle Vierteljahr einmal)
für Ihre Gesundheit.
Rauchen, Alkohol und Umweltgifte
Ganz schlecht für die Mikrobiota sind das Rauchen, das Trinken von Alkohol und auch
Umweltgifte. Alle diese Stoffe gelangen auch zu Ihren Darmbakterien, die dann
ebenfalls mit diesen Stoffen in Kontakt kommen. Und was Ihnen nicht guttut,
tut
auch Ihren Mitbewohnern nicht gut. Denken Sie bitte beim Konsum von »Genussmitteln«
bitte auch immer an Ihre Mikrobiota. Ganz besonders wichtig ist dies, wenn Sie
ohnehin den Eindruck haben, dass in Ihrem Darm eine »Schwachstelle« sitzen
könnte – dann ist es besonders wichtig, auf solche schädlichen Stoffe möglichst
zu verzichten.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich möchte nicht den Zeigefinger erheben
und Sie zum Asketen erziehen. Ein gelegentliches Gläschen Bier oder Wein in Gesellschaft
oder ab und an ein Stückchen Kuchen oder Schokolade dürfen Sie sich ruhig gönnen,
wobei die Betonung auf »
gelegentlich« liegt. Das kann eine gesunde Mikrobiota
durchaus verkraften und kleinere Beeinträchtigungen rasch wieder ausgleichen. Wenn
jedoch der Konsum dieser Genussmittel überhandnimmt, werden Ihre Darmbakterien Ihnen
dies übelnehmen und
die Qualität Ihrer Mikrobiota sich sukzessive verschlechtern.
Beim
Rauchen jedoch kann ich Ihnen jedoch keine Absolution erteilen – das
ist grundsätzlich
einer der gravierendsten Schadfaktoren für Ihre Mikrobiota. Bitte
fangen Sie nach Möglichkeit gar nicht erst an zu rauchen oder lassen Sie sich helfen,
diese Sucht schnellstmöglich zu besiegen. Jede Krankenkasse und viele weitere
Institutionen bieten hier Hilfsprogramme an.
Neben all den erwähnten positiven aber auch negativen Einflussfaktoren können wir
noch sehr viel mehr für eine gesunde Mikrobiota tun. Wie bereits gesagt: alles was
Ihnen guttut, tut auch Ihrer Mikrobiota gut.
Bewegen Sie sich ausreichend und
möglichst
kontinuierlich über den Tag verteilt (lesen Sie hierzu bitte den Beitrag
»
Darmgymnastik«). Dies fördert Ihre Verdauung und
damit auch die gesunde Balance der Mikrobiota.
Und last, but not least, beeinflusst auch Ihre
psychische Verfassung die Qualität
Ihrer Mikrobiota. Weiter oben haben Sie von der Darm-Hirn-Achse gelesen. Die Informationen
zwischen Darm(flora) und Kopfhirn werden sowohl vom Kopf in den Bauch als auch vom
Bauch zum Kopf gesendet – letzteres übrigens zum weit überwiegenden Teil.
Und an dieser Information sind die Darmbakterien zu einem großen Teil mitbeteiligt.
Sie produzieren u.a.
Botenstoffe, die bestimmte Informationen übertragen. Wenn Sie
sich gut fühlen, fühlen sich auch Ihre Darmbakterien wohler. Und wenn es den
Darmbakterien gut geht, geht es auch Ihnen besser. Sorgen Sie deshalb dafür, dass
Sie möglichst
wenig Stress haben bzw. unvermeidbaren Stress mit
Entspannung kompensieren.
Schwangerschaft – was kann ich für mein Kind tun?
Sie können bereits an die Gesundheit Ihres Kindes denken,
wenn Sie schwanger sind oder planen, schwanger zu werden.
Ernähren Sie sich darmflorabewusst mit für Sie bekömmlichen,
frischen, naturbelassenen Lebensmitteln mit so vielen Ballaststoffen
wie möglich. Auf diese Weise unterstützen Sie die
ausgeglichene
Balance Ihrer eigenen Mikrobiota und – im Falle einer
Schwangerschaft – auch die
Qualität Ihrer Scheidenflora.
Gegen Ende einer Schwangerschaft ändert sich die Zusammensetzung
der Scheidenflora, damit das Baby bei seiner Geburt die optimale
Basis für die eigene Mikrobiota aufnehmen kann. Je gesünder
die Bakterienbesiedelung im gesamten mütterlichen Organismus
ist, desto höherwertig ist auch ihre Scheidenflora.
Weiterhin interessant ist, dass bereit im Mutterleib werden,
wie eingangs beschrieben,
gesunde
Keime über die Plazenta (den Mutterkuchen) auf das Baby
übertragen, und wenn Ihr Babys dann zur Welt kommt, nimmt
es im Geburtskanal die Bakterien der Scheidenflora, in der
sich auch immer Darmkeime befinden auf. So wird eine erste
Basis für die Entwicklung der kindlichen Mikrobiota gelegt.
Bitte lesen Sie hierzu insbesondere die drei vorherigen Abschnitte,
in denen die wichtigsten Kriterien aufgelistet sind, wie man die
Qualität der eigenen Mikrobiota – auch und gerade in einer
Schwangerschaft – zum Wohle der eigenen Gesundheit und
zum Wohle des Kindes günstig beeinflussen kann.
Und in Bezug auf
Probiotika bedenken Sie bitte, dass Sie diese
Nahrungsergänzungsmittel, die man sich ja ohne eine ärztliche
Verordnung besorgen kann, gerade
in einer Schwangerschaft nicht
leichtfertig einnehmen sollten – genauso wenig, wie Sie ja
jetzt auch keinerlei Medikamente ohne den fachärztlichen Rat
einnehmen sollten. Es ist zwar nicht bewiesen,
dass Probiotika einen Embryo schädigen können, aber gerade in
einer solchen Situation, in der Sie nicht nur für sich selbst,
sondern gleichzeitig auch für das werdende Leben Verantwortung
tragen, sollten Sie lieber übervorsichtig als nachlässig sein.
Es gibt durchaus gute Probiotika, die auch in einer Schwangerschaft
unter bestimmten Voraussetzungen nützlich sein können. Aber
ich will nicht ausschließen, dass man sich und vor allem
seinem Baby
mit einer unkontrollierten Einnahme auch Schaden
zufügen kann. Leider müssen Nahrungsergänzungsmittel nicht
wie Medikamente auf ihre Unbedenklichkeit überprüft werden – und was
sich in diesem Bereich auf dem Markt tummelt, ist teilweise
haaresträubend. Bitte setzen Sie sich und Ihr Kind keiner Gefahr aus!
Ein besonderer Fall ist eine
Kaiserschnittgeburt.
Natürlich können Sie nichts mehr daran ändern, ob Sie selbst auf natürlichem Wege
oder per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind. Aber für den Fall,
dass Sie ein Kind erwarten, möchte ich Sie herzlich bitten,
möglichst eine natürliche Geburt anzustreben. Der Kaiserschnitt sollte nur denjenigen
vorbehalten bleiben, bei denen wirklich eine medizinische Notwendigkeit vorliegt.
Glücklicherweise geht der Anteil der Frauen, die ausdrücklich einen Kaiserschnitt
wünschen, weil ihnen dieser Weg leichter oder sogar bequemer erscheint als eine
natürliche Geburt, mehr und mehr zurück. Trotzdem steigt der Anteil der Kaiserschnitte
ständig – und hierfür gibt es keine medizinischen Gründe. Eher ausschlaggebend
dürften finanzielle Gründe sein, denn eine operative Entbindung wird für ein Krankenhaus
sehr viel lukrativer vergütet als eine normale. So entscheiden Ärzte heute teilweise
schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt, dass ein Kaiserschnitt durchgeführt werden soll,
wo früher noch ausgebildete Hebammen erreichen konnten, dass ein Baby ohne Gefahr
auf natürlichem Wege zur Welt kommen konnte. Das Wissen darüber, dass sich hier
die Kostenträger einen Bärendienst erweisen, weil
die Kinder ihr Leben lang mit
großer Wahrscheinlichkeit mehr Krankheitskosten verursachen werden, wird sich
wenn überhaupt, erst in Jahrzehnten zeigen. Und soweit scheinen Krankenkassen nicht
zu schauen (schauen zu wollen).
Eine Gebärende ist dann natürlich in einer Zwickmühle, denn wenn der Arzt sagt,
eine natürlich Entbindung bedeute eine Gefahr für das Baby, wird sie dem selten widersprechen.
Bitte behalten Sie diese Aspekte im Hinterkopf, wenn Sie sich Gedanken darüber
machen und mit Ihrem Arzt und Ihrer Hebamme besprechen, wie Sie Ihr Kind zur Welt bringen wollen.
Machen Sie im Vorfeld deutlich, dass Sie
nach Möglichkeit eine natürliche Entbindung bevorzugen.
Wenn jedoch medizinische Gründe für einen Kaiserschnitt sprechen,
seien Sie dankbar, dass es diese Möglichkeit für den Ernstfall gibt.
Für jedes Elternpaar, bei dem aus medizinischen Gründen ein Kaiserschnitt
erforderlich ist, gibt es ein paar einfache Tipps, wie man
auch in diesem Fall eine
gute Vorsorge für die Mikrobiota des Kindes treffen kann.
Wie im Abschnitt »Entstehung der Mikrobiota« beschrieben, sind
die ersten
Momente nach der Geburt mitentscheidend, welche Basis für die Entwicklung einer
stabilen Mikrobiota gelegt wird: Das Baby sollte möglichst frühzeitig mit Keimen
aus der mütterlichen Scheide, in der sich immer auch Darmbakterien befinden, in
Berührung kommen. Mit einem genauso jungen wie einfachen Verfahren, dem sogenannten
»
vaginal seeding« wird vor einer geplanten Kaiserschnittgeburt für einige
Stunden ein Mulltupfer in der mütterlichen Scheide platziert, damit er die dort
siedelnden Keime aufnehmen kann. Gleich nach der Geburt wird der Tupfer entnommen
und dem Neugeborenen damit die Wangenschleimhaut ausgewischt und der Körper abgerieben.
Jeder, der dies jetzt vielleicht ein wenig befremdlich oder sogar ekelig findet,
sollte bedenken, dass dies bei einer vaginalen Geburt ohnehin passiert wäre.
Nach einem Kaiserschnitt ist es – wie selbstverständlich auch nach einer
normalen Geburt –
das Beste, wenn die Mutter ihr Kind stillt. Keine noch so
teure Ersatznahrung enthält die Schutzstoffe, die die Muttermilch für das Kind
bereithält. Zudem sind in der Flaschennahrung die Eiweiße, die meist aus
Kuhmilch stammen, nicht so optimal auf die menschenkindlichen Bedürfnisse abgestimmt
und belasten das noch nicht ausgereifte Verdauungssystem.
Gänzlich fehlen die in der Muttermilch enthaltenen probiotischen Keime. Die sich
fortentwickelnde Nahrungsmittel- bzw. Pharma-Industrie experimentiert seit einiger
Zeit zwar auch mit dem Zusatz von Probiotika, aber dies alles steckt noch in den
Kinderschuhen, und für mich persönlich wäre die Gesundheit meines Babys viel zu
wichtig, als dass ich sie für die gewinnorientierten Versuche solcher Hersteller
auf ein unkalkulierbares Spiel setzen würde.
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern, dass es nicht nur
nichts Schöneres gibt,
als ein Baby zu stillen, es ist auch definitiv
das Einfachste: man muss sich nicht darum
kümmern, eine Flaschenmahlzeit zuzubereiten und eventuell zu Unternehmungen mitzunehmen, sondern
es ist immer und zu jedem Zeitpunkt ohne Vorbereitungen alles angemessen bereit. Wenn Sie also
stillen möchten, möchte ich Sie ausdrücklich ermuntern. Nehmen Sie
ggf. schon im Vorfeld Kontakt zu Stillgruppen auf, die es in jedem größeren
Ort gibt. Hier beraten erfahrene Mütter, was Sie schon vor der Entbindung für ein
reibungsloses Stillen und damit
für die Gesundheit Ihres Kindes tun können.
Wie bereits gesagt, gehen die Forschungen an der menschlichen
Mitkrobiota
in rasanten Schritten vorwärts, und fast täglich
werden neue Erkenntnisse gewonnen.
Selbstverständlich werden auf diesem Gebiet nicht nur
Grundsatzforschungen von unabhängigen Wissenschaftlern durchgeführt,
um medizinische Erkenntnisse zum Wohle der Menschen zu gewinnen.
Vor allem sind die Pharmariesen interessiert an neuen Bereichen
und Möglichkeiten, mit denen sie Gewinne erzielen können.
Dies sehen wir ja bereits in der Tatsache, dass die Anzahl der
Probiotika mit leider häufig vollkommen
unsinnigen und selten tatsächlich vernünftigen Zusammenstellungen
den Markt überschwemmen.
Auch Vitamin- und Mineralstoff-Präparate werden
mit den besten Versprechungen
für eine gesunde Mikrobiota angepriesen. Da alle diese Mittel zu meinem großen Leidwesen als sogenannte
Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich und eben nicht
rezeptpflichtig sind, kann sie jeder in jeder Menge erwerben
in dem von den Herstellern befeuerten Glauben, sich, seinem
Darm und seiner Gesundheit damit auf jeden Fall etwas Gutes zu tun.
Noch schneidet sich jede Pharmafirma aus diesem Kuchen
ihr möglichst großes Stück ab, aber auch wenn es heute
noch anders scheint, wird die Kuchengröße irgendwann endlich sein.
Und für diesen Fall – und natürlich auch für tatsächlich
seriöse Neuerungen in der Medizin –
sind ehrliche Grundlagenforschungen
an der Mikrobiota sinnvoll und wichtig. Dass auch dies aus finanziellen
Gründen in überwigendem Maße nicht von unabhängigen Forschern,
sondern von Mitarbeitern von Pharmafirmen durchgeführt wird,
die an der Herstellung von (gewinnversprechenden) echten Medikamenten
zur Heilung von Erkrankungen dienen sollen, ist eine Tatsache.
So wird derzeit u.a. daran gearbeitet, das Erbgut von bereits
bekannten Darmbakterien so zu verändern, dass sie Substanzen
produzieren und ausgleichen können, die bei bestimmten Erkrankungen
im Stoffwechsel von Betroffenen fehlen.
Die amerikanische Firma
Synlogic
aus Massachusetts (als ein Beispiel unter vielen) forscht daran, das Genom eines
Darmbakteriums Escherichia coli verändern zu können, so dass es
Phenylanalin abbbauen kann. Diese Substanz entsteht bei der
Verdauung vieler Nahrungsmittel.
Gesunde Menschen produzieren in ihrer Leber ein passendes Enzym,
das das Phenylanalin abbaut.
Menschen mit der angeborenen Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie
können dieses Enzym jedoch nicht bilden, so dass sich ohne eine adäquate Behandlung das
Phenylanalin im Blut konzentriert und u.a. zu schweren Schäden am Gehirn
führt. Nur eine strikte, lebenslange Diät bewahrt
sie vor unwiederbringlichen Schäden.
Wenn nun das genveränderte E. coli-Bakterium das fehlende
Enzym bilden könnte, kann das Phenylanalin zwar nach wie vor
nicht in der Leber abgebaut werden, aber im Darm. Dies wäre
ein riesiger Fortschritt für die Betroffenen, die auf diese
Weise zwar nicht geheilt werden, aber nun nicht mehr die
einschneidende Diät beachten müssen.
Derzeit ist das natürlich noch im Versuchsstadium, aber es
hört sich sehr vielversprechend an, »einfach« die
Produktion von lebenswichtigen, fehlenden Substanzen von
Bakterien übernehmen zu lassen und so Defizite ausgleichen zu können.
Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, es zeigt jedoch,
in welche Richtung sich die Forschung bewegt. Ob dies immer
wirklich zum Wohle der Menschheit geschieht, wird die Zukunft
beweisen müssen.
Vielleicht begeben wir uns auf diesem Wege aber auch manchmal
nach dem Motto des Zauberlehrlings in unkalkulierbare Gefahren,
aber bei der Entwicklungen vieler heute segensreicher Medikamente
wurden oft auch Irrwege beschritten. Ich hoffe, dass gerade mit diesem
sensiblen Thema
besonders verantwortungsbewusst umgegangen wird.
Das »Rundumpaket« für Ihre Mikrobiota
Für eine gesunde Mikrobiota reicht es nicht, nur ab und an ein (vielleicht sogar
geeignetes) Probiotikum einzunehmen. Es gehört schon sehr viel mehr dazu.
Worauf Sie für sich selbst leider keinen Einfluss mehr nehmen können, ist die Art,
wie Sie zur Welt gekommen sind und welche Nahrung Sie von Ihrer Mutter bekommen
haben. Auch können Sie nicht mehr steuern, welcher Keimvielfalt Sie als Kind ausgesetzt
sein durften.
Sie können jedoch mit Ihrer
Ernährung und mit der Menge des Konsums von
Genussmitteln,
aber auch mit einem klugen
Stressmanagement und aktiven
Bewegungsverhalten – z.B.
mit regelmäßiger
Darmgymnastik – einen
großen Einfluss auf die Qualität Ihrer Mikrobiota nehmen. Auch Ihr
Medikamentenkonsum
und der Gebrauch von
Nahrungsergänzungsmitteln sind – zumindest zum Teil –
von Ihren Entscheidungen abhängig,
wodurch Sie zahlreiche Möglichkeiten in der Hand
haben, Ihre Mikrobiota zu optimieren.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Darmbewohnern alles Gute.
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