Nicht erst seit Kurzem machen sich Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln
Gedanken, ob und wie neben Laktase-Präparaten auch mit einer gesunden
Darmschleimhaut und einer gesunden Darmflora die Laktose-Verwertung optimiert
werden kann. Diese Überlegungen haben durchaus ihre Berechtigung –
ich möchte sie hier jedoch einmal kritisch und differenziert beleuchten.
Eine gesunde Darmschleimhaut ist der Garant für die Aufrechterhaltung einer
größtmöglichen Restproduktion des Laktase-Enzyms im Dünndarm,
und eine gesunde Darmflora mit möglichst vielen nützlichen und wenig
schädlichen Bakterienarten unterstützt die optimale Funktion der
Darmschleimhaut.
Vor allem aber sind bestimmte Bakterienarten aus der Darmflora – die
Milchsäure- und die Bifidobazillen – in der Lage, selbst Laktase zu
bilden und können so die Spaltung von Milchzucker unterstützen.
Darüber hinaus erzeugen sie mit ihrem Stoffwechsel ein saures Milieu im Darm,
das die Bedingungen für die nützlichen Bakterien fördert, die
für die schädlichen jedoch eher hemmt.
Diese Eigenschaften versuchen sich die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln
zunutze zu machen und bieten Präparate mit den verschiedensten Stämmen
der Milchsäure- und Bifidobazillen und auch noch vielen anderen Bakterienarten
an – teilweise mit zusätzlichen Präbiotika (diese Präparate
heißen dann »Synbiotika«). In der Werbung und auf den Beipackzetteln
wird angegeben, dass die Bakterien die Bekömmlichkeit von Milchzucker
fördern.
Darüber hinaus geben die Hersteller an, die Einnahme solcher Präparate
könne unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen, beispielsweise am Morgen,
so dass das lästige Mitführen und Einnehmen von Laktase-Präparaten
zu den Mahlzeiten entfallen könne.
Es wird damit geworben, dass man nach der Einnahme eines solchen Präparates
»Milchzucker auch mit Laktose-Intoleranz wieder ungehemmt genießen« könne
– auch ohne die Einnahme von Laktase-Präparaten und vor allem ohne
unangenehme Folgen wie Blähungen, Durchfällen und allen weiteren bekannten
Beschwerden.
Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen hier einige Hintergrundinformationen zu
diesem Thema und eine Entscheidungshilfe für oder gegen ein solches Präparat
geben. Hierbei nehme ich keinen direkten Bezug zu konkreten Präparaten, halte
jedoch einige, grundsätzliche Aspekte für sehr wichtig und erwähnenswert.
Es stimmt: Verschiedene Bakterienarten können die Gesundheit der Darmschleimhaut
fördern, und Bakterien der Stämme Lactobacillus und Bifidobacillus stellen
mit ihrem Stoffwechsel Laktase her, die unser Verdauungssystem zur Spaltung von
Milchzucker nutzen kann. Es ist auch richtig, dass diese Bakterienarten mit ihrem
Stoffwechsel ein günstiges, saures Milieu im Stuhl erzeugen, das die
Überlebensbedingungen von nützlichen Bakterienarten unterstützt
– diese Behauptung ist also korrekt.
Bisher war ich jedoch der Meinung, dass keine noch so gute Darmflora die Laktase-Produktion
komplett übernehmen kann – die Präparate können meines Erachtens allenfalls zu
einem kleinen Teil Laktose spalten. Somit ist und bleibt aus meiner Sicht das
Mittel der Wahl immer eine weiterstgehend laktosefreie Ernährung und im
Notfall ein Laktase-Präparat zusätzlich vor der Mahlzeit, wenn sich ein
Laktoseverzehr nicht vermeiden lässt. Lesen Sie hierzu bitte auch den
Beitrag
»Behandlung« der Laktose-Intoleranz.
Immer wieder tauchen auch Präparate auf, die sowohl ein Probiotikum als auch
Laktase enthalten (das erste mir bekannte Präparat dieser Art – Dairy Care – habe ich im
Jahr 2005 in den USA getestet). Hierbei ist zu bedenken, dass neben der –
unstreitbar vorhandenen, wenn aber mit Sicherheit eher geringen – positiven
Wirkung der enthaltenen Probiotika die zusätzliche Laktase bei der einmaligen
Einnahme im günstigsten Falle eben nur einmal wirken kann, vorausgesetzt,
das Präparat wird gleichzeitig mit einer laktosehaltigen Mahlzeit eingenommen.
Falls die Einnahme unabhängig von einer solchen Mahlzeit erfolgt, dann kann
die Laktase keinerlei Wirkung erzielen – ist also »für die Katz«.
Meistens ist darüber hinaus die enthaltene Laktase-Dosis viel zu klein
(meistens 1000 – 3000 FCC-Einheiten), um bei einer laktosehaltigen Mahlzeit
ausreichend wirken zu können – alles in allem also eine in meinen
Augen eher unverständliche Kombination.
Ein weiterer – sehr wichtiger – Gesichtspunkt ist, dass manche Probiotika
heftig überdosiert sind oder zumindest in Kapselform mit fester Dosis nicht
eingeschlichen werden können. Dies kann bei empfindlichen Verbrauchern zu
Problemen führen: Probiotika müssen
immer eingeschlichen werden,
es muss also mit einer sehr kleinen Dosis begonnen werden, die dann nach und nach
gesteigert werden sollte. Wird dieser Grundsatz nicht befolgt, sind Verdauungsbeschwerden
wie Blähungen bis hin zu heftigsten Durchfällen möglich. Die Darmflora
ist – auch wenn sie nicht die optimale Zusammensetzung hat – ein sehr
empfindliches System, und Eingriffe, die auf die bestehende Balance einwirken,
müssen so behutsam wie möglich vorgenommen werden.
Grundsätzlich immer ist es zu begrüßen, die Darmflora mit nützlichen
Bakterien anzureichern, auch um die Vorteile, die diese in Bezug auf eine
Laktose-Intoleranz unbestreitbar bieten, zusätzlich nutzen zu können.
Eine gesunde Darmflora fördert nicht nur generell die Gesundheit, sie
stärkt das Immunsystem und kann helfen, die Kapazität der Laktase-Restfunktion
ein wenig anzuheben.
Ob Sie hier zu einem – anfangs niedrig dosierten, später zu einem
höher dosierten – Probiotikum greifen möchten, bleibt Ihnen
überlassen. Es ist jedoch durchaus auch möglich – und in meinen
Augen wesentlich sinnvoller, die Darmflora mit probiotischen Nahrungsmitteln wie
milchsauer eingelegtem Gemüse oder auch Kombucha- oder Brottrunk-Getränken
und Ähnlichem anzureichern, die darüber hinaus noch zusätzliche
wertvolle Bestandteile wie Milch-, Essig und Glucuronsäure enthalten, die
für die nützlichen Mikroorganismen der Darmflora besonders günstig
sind.
Wenn Sie ein Probiotikum statt Laktase verwenden möchten, empfehle ich Ihnen,
zuerst die Verträglichkeit zu testen,
ohne gleich zu Anfang Laktose zu verzehren.
Nur so können Sie ermessen, ob eventuell auftretende Beschwerden durch das
Präparat allein oder aber durch einen nicht mehr durch das Probiotikum gedeckten
Laktose-Überschuss verursacht werden.
Informieren Sie sich auf jeden Fall gründlich, bevor Sie Ihre Entscheidung
treffen.
Aber auch bei der Entwicklung der Probiotika wird ein Fortschritt stattfinden
– genauso, wie das bei der Entwicklung von Laktase-Präparaten der Fall
war. Denn generell ist ja das Ziel sehr zu begrüßen, in einer Gesellschaft,
in der der Laktose-Verzehr an der Tagensordnung ist, Mahlzeiten auch
mit Laktose-Intoleranz wieder unbeschwert genießen zu können, ohne sich
Gedanken machen zu müssen, ob und in welcher Menge die Mahlzeit Milchzucker
enthält.
Studie zur Ermittlung der Wirksamkeit von Probiotika
zur Anhebung der Laktose-Toleranzschwelle
Um herauszufinden, wie wirksam die derzeit auf dem Markt befindlichen Präparate
(z.B. Lactoseschild P, Leben's Lactase BC, Dairy Care etc.) sind, habe ich in der
Zeit von Juli bis Dezember 2012 eine Studie durchgeführt und die Erfahrungen
der Verwender gesammelt.
Bitte lesen Sie hier die Auswertung dieser Studie.
Ganz herzlichen Dank sage ich allen, die sich die Zeit genommen haben, ihre
Erfahrungen einzugeben.
Bitte lesen Sie auch folgende Beiträge:
Grundsätzliches über die Darmflora
Pflege der Darmflora
Sanierung der Darmflora
Probiotische Gärgetränke
»Behandlung« der Laktose-Intoleranz
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