Was ist von einem IgG4-Test zu halten? Die Antwort gleich vorweg: gar nichts!
Diese Tests, die angeblich Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten aufspüren sollen,
sind überhaupt nicht aussagekräftig und kosten viel Geld. Vor allem aber verwirren
sie den Patienten und bewirken, dass er eine Diät eingehalten soll, die teils
eine große Palette von Lebensmitteln verbietet und so unnötig die Lebensqualität
einschränkt – abgesehen von der Verunsicherung, wie auf diese Weise noch der
Nährstoffbedarf gedeckt werden soll.
Wie funktionieren die Tests?
Der IgG4-Test – auch unter dem Namen ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay)
bekannt – beruht auf der Behauptung, dass beim Verzehr unverträglicher
Nahrungsmittel angeblich bestimmte Antikörper (Immunglobuline des Typs G) vom
Immunsystem gebildet würden. Durchgeführt wird der Test, indem das Serum aus einer
Blutprobe auf ein Medium aufgebracht wird. Dieses Medium enthält Substanzen von
50, 100 oder mehr verschiedenen Nahrungsmitteln. Sind nun IgG4-Antikörper auf
eines oder mehrere der Testsubstanzen im Serum enthalten, haften diese an dem
Medium und können im Laborverfahren nachgewiesen werden.
Was sind Antikörper?
Antikörper (Immunglobuline) werden gebildet, wenn das Immunsystem mit einer Substanz
konfrontiert wird, beispielsweise einem Lebensmittel wie eine Erdnuss oder ein
Hühnerei, gegen die es eine Allergie entwickelt hat. Diese Substanzen sind hier
jedoch nicht die gesamten Lebensmittel, sondern nur bestimmt Bausteine desselben
– in den meisten Fällen Eiweiß-Bausteine bzw. oft nur Bruchstücke dieser
Eiweiße (Proteine). Nach einem ersten Verzehr des Lebensmittels erwirbt das Immunsystem
während der sogenannten Sensibilisierungsphase die Fähigkeit, dass es dieses
Lebensmittel als fremd betrachtet und lernt, Antikörper des Typs E zu bilden. Wird
später dieses Lebensmittel erneut verzehrt, werden die entsprechenden Antikörper
ausgeschüttet, um den vermeintlich gefährlichen Feind unschädlich zu machen. Dabei
können die Reaktionen unabhängig von der Verzehrmenge sehr heftig ausfallen,
teilweise sind sie sogar lebensbedrohlich (anaphylaktischer Schock).
Bei einer Nahrungsmittel-Unverträglichkeit hingegen werden keine Antikörper gebildet,
und die Reaktionen auf das entsprechende Lebensmittel fallen meist
moderater aus. Bei den Unverträglichkeiten sind es im Gegensatz zu den Allergien
meist bestimmte Zucker wie der Milch- oder der Fruchtzucker, die Probleme machen.
Die Ursache liegt nicht in einer Antikörper-Reaktion, sondern im mehr oder weniger
ausgeprägten Mangel an bestimmten Enzymen oder anderen Verarbeitungssubstanzen,
um die Zuckerbausteine aufzuspalten, abzubauen oder in den Blutkreislauf zu
transportieren. Die Stärke der Reaktionen hängt von der Verzehrmenge des bestimmten
Lebensmittels, aber auch von der Ausprägung des Enzymmangels ab. Die Reaktionen
können je nach Voraussetzungen zwar unangenehm sein, lebensbedrohliche Ausmaße
nehmen sie jedoch nicht an.
Lesen Sie bitte auch den Beitrag »
Abgrenzung zwischen
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten und Allergien«.
Wann gibt es IgG4-Antikörper?
Die Befürworter der IgG4-Tests behaupten, dass die Antikörper des Typs IgG4 gebildet
werden, wenn eine Unverträglichkeit auf das entsprechende Nahrungsmittel besteht.
Diese Behauptung wird jedoch von Allergologen als nicht zutreffend bezeichnet.
Die IgG4-Antikörper bilden sich tatsächlich – aber nicht, weil der Körper
dieses (diese) Lebensmittel als allergen einstuft, sondern ganz normal bei jedem
Verzehr. Alle Lebensmittel enthalten körperfremde Eiweiße, und auf jedes körperfremde
Eiweiß reagiert das eigene Immunsystem, das die Aufgabe hat, dem Organismus vor
fremden Eindringlingen zu schützen. Wird nun ein Lebensmittel – sprich: ein
körperfremdes Eiweiß – verzehrt, sollen diese Bausteine ja letztendlich in
körpereigenes Protein umgewandelt werden, um beim Wachstum neue Zellen bilden oder
alte Zellen ersetzen zu können. Da muss schon genau aufgepasst werden, was
brauchbar ist oder was gefährlich sein könnte. Gelangen unverdaute Eiweiße in den
Körper, bekämpft das Immunsystem diese – sie wären gefährlich. Sind die Eiweiße
aber korrekt verdaut, d.h. in ihre Bausteine, die Aminosäuren zerlegt, können sie
für Wachstum und Reparaturen verwendet werden.
Die meisten Eiweiße, die über das Verdauungssystem in den Körper gelangen, sind
somit keine »Feinde« sondern »Freunde«. Das Immunsystem reagiert
deshalb mit den »freundlichen« IgG-Antikörpern. Nur bei falscher
Interpretation werden Antikörper des Typs E gebildet, die dann eine allergische
Reaktion auslösen können.
Reaktionsstärke-Klassen
Somit werden immer dann IgG-Antikörper gebildet, wenn wir ein neues Lebensmittel
verzehren. Für alle Lebensmittel, die wir jemals verzehrt haben, gibt es also
Antikörper des Typs G – und zwar in größeren Mengen, wenn wir kürzlich oder
auch oft ein bestimmtes Lebensmittel gegessen haben und weniger, wenn wir weniger
oder seltener von diesem Lebensmittel verzehrt haben. Es liegt auf der Hand, dass
es meist sehr viele und oft gerade unsere Lieblings-Lebensmittel sind, gegen die
IgG-Antikörper nachweisbar sind.
Den Nachweis von IgG-Antikörpern als Unverträglichkeit zu interpretieren, ist
jedoch absolut falsch!
Die Menge der nachgewiesenen IgG-Antikörper wird in sogenannte
Reaktionsstärke-Klassen eingeteilt: Je mehr Antikörper auf ein bestimmtes Lebensmittel
nachgewiesen werden, desto höher die Klasse. Weil mit dem Test teils mehr als
hundert Lebensmittel als »unverträglich« deklariert werden, wird
oftmals »erlaubt«, Lebensmittel der geringeren Reaktionsstärke-Klassen
in Maßen verzehren zu dürfen.
Kosten
Die Kosten für einen IgG-Test sind – unabhängig davon, ob er von einem nicht
ausreichend informierten Arzt in Auftrag gegeben oder vom Patienten als Selbsttest
bestellt und durchgeführt wird – sind hoch. Der Preis kann je nach Labor
einige hundert Euro betragen, Selbsttests sind inzwischen schon für knapp
einhundert Euro zu haben.
Aufgrund des nicht nachweisbaren Nutzens wird eine Kostenübernahme für einen
IgG-Test von den Krankenkassen abgelehnt.
Fazit
Insgesamt entbehren die IgG-Antikörper-Tests jeder gesicherten Grundlage. Weil
immer mehr informierte Ärzte diese Tests als nicht aussagekräftig erkennen, werden
sie seit einiger Zeit auch als Selbsttests angeboten, um Patienten, die an unklaren
Verdauungsbeschwerden leiden, als Kunden zu gewinnen.
Sie haben jedoch von einem IgG-Antikörper-Test keinerlei Nutzen. Er sagt nichts über
eventuell vorliegende Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten aus. Weiterhin müssen
Sie die Kosten für einen solchen Test auf jeden Fall selbst zahlen – Geld,
das Sie sich getrost sparen können!
Links zu weiterführenden Informationen
Pharmazeutische Zeitung online
Spiegel online
Ärzte Zeitung
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