Seit langem schon wird die vegane Ernährung in allen Medien sehr kontrovers und
teilweise auch sehr heftig diskutiert, und deshalb möchte ich an dieser Stelle
beleuchten, welche Vor- und Nachteile eine solche Ernährungsform hat. Ich bewerte dies auch,
begründe meine Bewertungen jedoch auch. Ob Sie diesen Begründungen dasselbe Gewicht zumessen,
liegt dann in Ihrer Entscheidung.
Allein aus ernährungsmedizinischen Gründen bin ich kein
Verfechter des Veganismus, kann aber durchaus bestimmte Aspekte sehr gut nachvollziehen, die
für eine tierfreie Ernährung sprechen. Und insbesondere unter Umweltaspekten ist es ganz bestimmt
heute mehr denn je erforderlich, unseren überbordenden Konsum von Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln
deutlich zu reduzieren. Wenn allerdings Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
und/oder andere Verdauungsprobleme vorliegen, um die ich mich auf dieser Website und in meinen
Beratungen vorrangig kümmere, sind in den meisten Fällen weitere Restriktionen in Bezug auf
die Lebensmittel-Auswahl erforderlich, um beschwerdefrei zu werden und zu bleiben. Ob und in
welchem Maße dies dann noch mit einer rein veganen Ernährung vereinbar ist und ob und welchen
gesundheitlichen Schaden man sich selbst dadurch zufügt oder ob zumindest vorübergehend Ernährungsformen gewählt
werden können, bei denen die tierischen Produkte mehr oder weniger reduziert werden, ist immer
individuell abzuklären.
Ich versuche einmal, hier alle Punkte aufzuzählen, die für oder gegen eine vegane Ernährung sprechen.
Letztendlich muss dann natürlich jeder für sich selbst entscheiden, ob er vegan leben möchte oder nicht.
Definition: Was ist Veganismus?
»Vegan« und »vegetarisch« ist nicht dasselbe, und doch werden
die Begriffe häufig gleichbedeutend benutzt. Eine vegane Ernährung ist etwas anderes als
die vegetarische. Veganer ernähren sich ganz konsequent ohne tierische
Produkte – seien sie vom lebenden oder vom toten Tier gewonnen. Auch Nahrungsmittel,
bei deren Herstellung tierische Bestandteile benötigt werden, die jedoch im Endprodukt nicht
mehr vorhanden sind, werden gemieden. Den Veganismus
nur als eine Ernährungsform zu betrachten, wäre also viel zu wenig – er ist
eine Lebensform.
Im Gegensatz zu den Veganern wird bei der vegetarischen Ernährung im Wesentlichen auf
Fleisch verzichtet. Je nach Ausprägung und Ausrichtung werden jedoch zusätzlich zu
pflanzlichen Lebensmitteln auch Eier (ovo-vegetarisch), Milch (lacto-vegetarisch) und/oder Fisch
(pesco-vegetarisch) hinzugenommen. Meist jedoch wirkt sich der Vegetarismus nicht
umfassend einschränkend auf das weitere Leben aus: von lebenden Tieren gewonnene Bestandteile
des täglichen Lebens wie beispielsweise Honig oder Wolle und teilweise auch Leder werden
nicht grundsätzlich abgelehnt.
Die Motive für eine vegane und für eine vegetarische Ernährung und Lebensweise
können vielfältig sein: Zum einen sind es sehr häufig
gesundheitliche Gründe,
die einen Menschen bewegen, auf Fleisch und ggf. auch generell auf tierische
(Nahrungs-)Bestandteile zu verzichten. Sehr oft jedoch sind es (zusätzlich) auch
ethische Gründe wie
die Achtung vor dem Tierwohl, das Vegetarier und Veganer in Gefahr sehen. Sie wollen
nicht (Mit-)Verursacher dafür sein, dass Tiere in nicht artgerechter Weise gehalten
und geschlachtet werden oder ihre Produkte wie Eier, Milch, Wolle und viele andere
an die Menschen abgeben müssen. Hinzu kommen – mehr und mehr seit den letzten
Jahren – auch Aspekte des
Umweltschutzes.
Ethische Aspekte
Ganz sicher haben die ethischen Gründe ihre Berechtigung. Mit einer Entscheidung für eine vegane
(oder vegetarische) Ernährung kann man mit seinem Konsumverhalten dafür sorgen, dass
der nicht artgerechten Tierhaltung und natürlich erst recht der Massentierhaltung mehr und mehr
der Boden entzogen wird, um sie dadurch überflüssig und für die Produzenten
unattraktiv zu machen. Mit einer veganen Ernährung trägt man nicht mehr zu diesen Belastungen
der Tiere bei –
unter ethischen Aspekten also ein klarer Pluspunkt für eine vegane Ernährung.
Leider jedoch vernachlässigt der Veganer sein eigenes Wohl, denn unser menschlicher Körper
ist definitiv nicht auf eine Ernährung ohne tierische Produkte ausgelegt (siehe Abschnitt
»
Welche Ernährungsform ist ursprünglich für den Menschen vorgesehen?«).
Hier kann jedoch durchaus in beiderseitigem Interesse abgewogen werden.
Dass Tiere in Massenställen leiden, ist (zumindest bei vernünftig denkenden Menschen) unbestritten.
Es ist aber kaum möglich, objektiv und allgemeingültig bewerten zu können,
ob auch Tiere leiden, die in so genannter »artgerechter« Haltung aufgezogen
werden. Tiere in Käfigen oder Ställen zu halten, auch wenn diese etwas größer sind,
ist für Lebewesen, die eigentlich frei sein sollten, sicherlich nie wirklich
artgerecht. Aber hier möchte und muss ich als Mensch, dessen Verdauungssystem auf eine
omnivore Ernährung eingerichtet ist, einen Kompromiss
eingehen, der in größtmöglichem Maße dem Tierwohl und den menschlichen Ernährungserfordernissen
gerecht wird. Nebenbei gesagt: auch Pflanzen sind Lebewesen, die sich u.a. durch
unbekömmliche Giftstoffe vor Fraßfeinden schützen und eben nicht gegessen werden
wollen. Und doch essen wir Pflanzen – eben weil wir uns ernähren müssen und
dies nicht durch den Verzehr von Nährstoffen rein aus der Erde tun können.
Auch ich setze für mich persönlich die ethischen Kriterien an meine Ernährung und an mein
Verhalten sehr hoch an, denn beispielsweise
eine Tierhaltung in vom Gesetzgeber sogar für Bioqualität gesetztem Rahmen ist
auch in meinen Augen immer noch keine artgerechte Haltung. Für mich müssen es wirklich
die glücklichen, frei auf einer Wiese laufenden Hühner oder Rinder sein, um die Haltung als
artgerecht anzusehen. Und pflanzliche Nahrung bevorzuge ich in Bioqualität, bei
der die Äcker nicht künstlich gedüngt oder Pestizide aufgebracht werden, was dann
ja auch Tiere – in diesem Falle Insekten und Vögel – beeinträchtigt.
Umweltaspekte
Ein weiterer – mindestens ebenso wichtiger – Aspekt ist der Blick auf unsere Umwelt.
Dass wir fossile Brennstoffe und damit CO
2 sparen sollten, hat sich nicht zuletzt durch
die »Fridays for Future-Bewegung« herumgesprochen.
Die Produktion von tierischen Lebensmitteln erzeugt ebenfalls Treibhausgase wie Methan, Lachgas und auch CO
2 und
zieht einen wesentlich größeren CO
2-(Äquivalente)-Fußabdruck nach sich und benötigt sehr viel mehr Wasser
als die Produktion energetisch gleichwertiger, pflanzlicher Produkte.
Für die Erbauung und den Unterhalt der Ställe, für die Fütterung der Tiere und für die Entsorgung
der tierischen Abfälle wird im Vergleich zu pflanzlicher Kost ein Vielfaches an Energie benötigt,
die das Fleisch uns liefert. Wenn wir pflanzliche Kost statt des Fleisches verzehren würden, würde
wesentlich weniger Energie – und damit CO
2 – benötigt.
Darüber hinaus werden durch die Gülle, die hektoliterweise anfällt, die Böden verseucht – insbesondere
bei der Massentierhaltung, bei der die Tiere in riesigen Ställen gehalten werden und nicht vereinzelt auf der
Wiese herumlaufen und ab und an ihre Hinterlassenschaften fallen lassen. Diese Gülle wird mit meist
dieselgetriebenen Fahrzeugen kilometerweit durch die Länder gekarrt, denn es ist keineswegs mehr sichergestellt,
dass man einen Abnehmer in Deutschland findet. Der kippt sie dann irgendwo auf die Felder
– günstigstenfalls! Um Geld zu sparen, wird öfter auch in Nacht- und Nebelaktionen schon mal
eine Fuhre einfach im nächstbesten Bach abgelassen. Auf jeden Fall gelangt diese Gülle ins Grundwasser und
reichert es mit Nitrat an, sehr viel mehr, als gut für uns ist. Deutschland wurde bereits von der EU abgemahnt,
dass die Nitratbelastung viel zu hoch sei – leider bisher ohne wirksame Reaktionen.
Es gäbe natürlich im Gefolge der Massentierhaltung auch Biomasse-Reaktoren, mit denen aus der Gülle Energie
gewonnen werden könnte, aber erstens sind diese Anlagen noch sehr selten und zweitens bleibt danach immer noch die
Frage der Entsorgung, denn die Gewinnung der Energie aus der Gülle schrumpft diese ja nicht auf Null. Somit sind
Biomasse-Reaktoren keineswegs der Freibrief für eine solche Haltungsform.
Und dann wäre noch der Raubbau an Flächen einerseits für die Viehhaltung selbst und andererseits für
die Erzeugung des Futters kritisch zu betrachten. Insbesondere die verantwortungslosen und geld- und machtgierigen
Herrscher wie u.a. Jair Bolsonaro in Brasilien und Konsorten scheren sich keinen Deut darum, welche Bedeutung
die Regenwälder für das Gleichgewicht unseres Klimas haben. Sie lassen diese Flächen rücksichtslos roden, um Platz
für die Produktion von Fleisch und Viehfutter zu schaffen. Gäbe es hierfür in den »Partner«-Ländern
wie u.a. auch in Deutschland keinen Bedarf und keine Abnehmer, würde sich ein solches »Geschäftsmodell«
rasch erübrigen. Wir können also mit unserem Essverhalten viele solcher unguten Vorgänge beeinflussen.
Ad absurdum jedoch wird eine vegane Ernährung geführt, wenn man die Aspekte der
Regionalität und Saisonalität missachtet.
Werden vegane Lebensmittel durch die halbe Welt kutschiert, weil man seinen Speisezettel meint, mit Produkten
vom anderen Ende des Globus bereichern zu wollen, wird der ökologische Fußabdruck auf jeden Fall schlechter.
Oder wenn man pflanzliche Produkte außerhalb der Saison verzehrt – als ein Beispiel (unter leider viel zu vielen)
nenne ich hier mal eine Mahlzeit mit Spargel, der vor der eigentlichen Saison nur mit Hilfe von Warmwasser-durchfluteten
Röhren wachsen kann.
Die vegane Ernährung erzielt unter Umweltaspekten einen klaren Pluspunkt gegenüber einer Ernährung,
bei der auch tierische Produkte verzehrt werden – aber nur unter der Voraussetzung, dass Regionalität und Saisonalität
mit beachtet werden.
Welche Ernährungsform ist ursprünglich für den Menschen vorgesehen?
Um als erstes bewerten zu können, ob und in welcher Ausprägung eine vegetarische
und/oder vegane Ernährung ggf. gesünder oder geeigneter ist als fleisch- und tierproduktehaltige Nahrung,
sollten wir uns vor Augen führen, welche Ernährung ursprünglich für den Menschen vorgesehen,
»normal« war.
Aufgrund von körperlichen Merkmalen (Anordnung und Ausbildung der Zähne, Länge
des Darms, Vorhandensein bzw. Fehlen verschiedener Enzyme zum Verarbeiten von
Nahrungsbestandteilen) zeigt sich ganz deutlich, dass der Mensch als »Alles(fr)esser«
(Omnivore, omni = alles, vorare = fressen; lat.) oder »Früchte(fr)esser« eingerichtet ist.
Die Ernährung in der Urzeit des Menschen beweist – soweit sie uns aus
Fossilienfunden bekannt ist –, dass sich der Mensch als Sammler und Jäger
überwiegend von pflanzlichen Lebensmitteln ernährt hat, die er auf seinen Wanderungen
fand. Hier wurden Früchte, Blätter, Knollen und Wurzeln und das Mark aus Stängeln
gesammelt, aber auch einzelne Körner von Grashalmen gestreift und verzehrt. Ergänzt
wurde diese Kost durch tierische Proteine, die er durch den Verzehr von gefundenen
Vogeleiern, Würmern oder Insekten aufnahm. Auch kleine Tiere wie Hasen, Mäuse oder
Eichhörnchen konnten ab und an erbeutet werden, mit etwas Glück und vor allem mit
der Erfindung von Waffen später manchmal auch ein größeres Tier. Wenn ein größeres
Tier gefangen oder ein noch verzehrfähiges (verletztes) Tier gefunden wurde, überwog
dann natürlich vorübergehend der Verzehr von Fleisch, das ja nicht konserviert
werden konnte und sofort gegessen werden musste. Danach aber stellte wieder die pflanzliche
Kost den Hauptbestandteil der Nahrung.
Je nach den Erfordernissen des Lebensumfeldes konnte es im Extremfall auch sein,
dass Menschen, wie z.B. die Inuit, sich überwiegend von Fleisch und Fisch ernährten.
Dabei wurde jedoch immer der Mageninhalt mitverzehrt, so dass die Menschen auch
hier einen möglichst großen Anteil an pflanzlicher Nahrung zu sich nahmen und dies
– sofern sie sich nicht durch moderne Handelsmöglichkeiten anderweitig versorgen
können – traditionell auch heute noch tun.
Da sich das Verdauungssystem der Menschen in den Jahrtausenden seit diesen Urzeiten
(die entwicklungsgeschichtlich jedoch so gut wie gar nicht ins Gewicht fallen)
nicht verändert hat, täten wir gut daran, uns ebenso wie unsere Vorfahren zu ernähren,
um gesund zu bleiben. Dies bedeutet: viel pflanzliche Kost, möglichst unverarbeitet
oder zumindest sehr schonend zubereitet, dazu wenig Fleisch und tierische Produkte
–
ein Punkt also, der für eine gemischte und gegen die vegane Kost spricht.
Gerade in letzter Zeit verbreitet sich die Meinung, dass sich unsere Vorfahren im
Gegensatz zu dem soeben Beschriebenen eher überwiegend von Fleisch und Fett ernährt
haben. Diese Ernährungsform wird als »Paleo- oder Steinzeitdiät« bezeichnet.
Tatsache ist, dass niemand von uns dabei gewesen ist, als unsere Vorfahren lebten.
Wenn jedoch tatsächlich der Mensch wie ein überwiegend fleischfressendes Raubtier
gelebt hätte, hätte er neben einem sehr viel kürzeren Darm vor allem Reißzähne und
Krallen, um seine Beute auch ohne Waffen fangen und essen zu können, und auch die
Organe wie u.a. die Nieren wären für die Verdauung dieser großen Fleisch- und damit
Proteinmengen eingerichtet. Dies ist aber offenkundig nicht der Fall. Somit ist
für die meisten Ernährungswissenschaftler klar, dass Fleisch nicht die Hauptkomponente
der ursprünglichen Ernährung gewesen sein kann.
Bitte lesen Sie hierzu auch meine Rezensionen zum Buch von Dr. David Perlmutter:
»
Dumm wie Brot – wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört«
und zu dem Buch von Dr. William Davis: »
Weizenwampe«.
Tatsache ist auch, dass Menschen, die kein oder nur wenig Fleisch essen, weniger
Darmkrebs haben als die Viel-Fleisch-Esser. Dies mag zum einen daran liegen, dass
ein Darm für die Verdauung von überwiegend fleischhaltiger Nahrung sehr viel kürzer
sein muss, als der von Pflanzenfressern, denn bei der Fleischverdauung entstehen
giftige oder zumindest schädliche Stoffe, die die empfindliche Darmwand schädigen
können, wenn der Speisebrei zu lange im Darm liegt. Fleischiger Speisebrei sollte
so schnell wie möglich zum Ausgang befördert werden. Die kohlenhydratarme Paleokost
kann aber genau dies nicht: sie liegt (zu) lange in unserem dafür viel zu langen Darm
und wird wegen der fehlenden Ballaststoffe auch nur schwer weiter befördert. Es
gibt noch keine Langzeitbeobachtungen, ob und in welchem Maße die Paleo- oder Steinzeitkost die
Ausbildung von Darmkrebs begünstigt – aber allein aus logischen Überlegungen
möchte ich selbst mich keinem Risiko aussetzen und erteile
einer fleischlastigen Ernährung
auf jeden Fall einen dicken Minuspunkt.
Wie sieht unsere heutige Ernährung unabhängig vom Fleischkonsum aus?
Leider ernähren wir uns heute – auch wenn wir unseren Fleischkonsum an unsere
körperlichen Merkmale anpassen – meist mitnichten so, wie es unsere Physiologie
vorgibt: entweder essen wir viel zu viel Zucker und Fett und überhaupt zu viel,
und/oder wir verzehren überwiegend Fertiggerichte, bei denen die ursprünglichen und für
uns gesundheitsrelevanten Vitalstoffe durch die Hochverarbeitung zerstört und deshalb
notdürftig durch künstliche Vitamine ersetzt werden.
Weiterhin enthalten die heutigen Speisen zahlreiche chemische Zusätze, die das Essen haltbarer
machen, das Aussehen anpassen, Geruch und Geschmack verändern und die Haltbarkeit verlängern
und so die Gewinnmarge vergrößern sollen. All dies sind jedoch Stoffe, die unser archaisches
Verdauungssystem nicht kennt und deshalb mit Sicherheit nicht ohne (langfristige) Folgen
verkraften kann.
Für eine solche »Zivilisationsnahrung« kann es auch nur Minuspunkte geben!
Eine gesunde Kost, so wie sie unsere Vorfahren aßen, verbunden mit einer insgesamt
gesunden Lebensweise mit viel
Bewegung an der frischen Luft und einer ausgewogenen
Mischung aus
Anregung und Entspannung
wäre also das, was uns auf Dauer gesund erhält
und uns die Chance auf ein möglichst langes Leben eröffnet. Welche Form der Ernährung
im Allgemeinen aufgrund unserer Körpermerkmale gesund ist, ist an anderer Stelle
ausreichend dargelegt, z.B. im Beitrag »
Fleisch
oder kein Fleisch – was ist gesunde Ernährung?«.
Ist eine vegane Ernährung gesund?
Diese Frage soll hier generell für alle
gesunden Menschen beantwortet werden. Keine
allgemeingültige Antwort kann es natürlich für alle Menschen mit den verschiedensten
Krankheiten geben, die diätetische Anpassungen erfordern, wie u.a. Diabetes oder Nierenprobleme, ebenso wenig wie für
Menschen mit Nahrungsmittel-Allergien und/oder Unverträglichkeiten (hierzu lesen Sie bitte
den Abschnitt
Veganismus und Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
weiter unten). Trotzdem gelten in allen Fällen einige Grundsätze.
Für den Aufbau unserer eigenen Körperzellen benötigen wir bestimmte
Aminosäuren
in einem bestimmten Mengenverhältnis. Eiweiß aus tierischen Quellen kommt diesen
Erfordernissen näher als pflanzliches und ist zudem besser verdaulich. Dabei
entscheidet über die Qualität der Nahrung immer die Aminosäure, die in der geringsten
Menge in der Nahrung vorhanden ist, die also die Zusammensetzung und den Aufbau
unserer körpereigenen Proteine limitiert. Da nutzt es nichts, wenn andere Aminosäuren
im Überfluss vorhanden sind, denn aus diesen »Resten« kann eben kein
vollständiges Eiweißmolekül mehr gebildet werden. Pflanzliche Proteine enthalten
in der überwiegenden Menge für die menschliche Proteinsynthese unvollständigere Zusammenstellungen
von Aminosäuren. Es ist zwar grundsätzlich möglich, durch eine kluge Zusammenstellung von
verschiedenen pflanzlichen Bestandteilen die Gesamtqualität des Angebots an Aminosäuren zu
steigern, leider jedoch ist dieses Erfordernis den wenigsten Veganern bekannt und darüber
hinaus auch nur mit größeren Mühen umsetzbar. Allesesser
oder Vegetarier, die auch tierische Produkte verzehren, haben es da wesentlich
einfacher, denn in Fleisch bzw. Milch, Eiern und Fisch sind die benötigten, essentiellen
Aminosäuren in ausreichender Menge enthalten und können einen Mangel bei den pflanzlichen Zutaten
ausgleichen und ergänzen –
ein Minuspunkt für die vegane Ernährungsform.
Für eine gesunde Verdauung ist der ausreichende Verzehr von
Ballaststoffen erforderlich, die
die Bakterien der Mikrobiota (Darmflora) benötigen, um sich in einer gesunden Balance vermehren
zu können. Diese Mikroorganismen wiederum versorgen die Darmschleimhaut, die die Barriere zwischen dem
Körperäußeren (dazu zählt auch der Darminhalt) und dem Körperinneren sicherstellen muss.
Weiterhin werden in den Zellen der Darmschleimhaut Enzyme und weitere zahlreiche Substanzen gebildet,
die eine korrekte Verarbeitung und Verdauung der Nährstoffe garantieren. Auch der Darmschleim, der eine schützende und nährende
Schicht über den Darmschleimhautzellen bildet, wird erst durch den Verzehr von genügend Ballaststoffen
in einem erwünschten Zustand gehalten. Generell verzehren Veganer mehr pflanzliche
Nahrungsmittel, als es die Menschen tun, die zusätzlich tierische Komponenten essen.
Ein Veganer nimmt so ganz automatisch und ohne viel nachdenken zu müssen, sehr viel mehr Ballaststoffe
zu sich als Menschen mit anderen Ernährungsformen. Letztere müssen (sollten) immer
überlegen, dass und ggf. wie sie ihre Ballaststoffbilanz für eine gesunde Verdauung aufbessern können.
Dies ist ein klarer Pluspunkt, den die vegane Ernährung für sich verbuchen kann, der jedoch
bei jeder Ernährungsform zum Tragen kommt, wenn man beachtet, dass die Speisen einen möglichst großen
Anteil an vollwertigen, pflanzlichen Zutaten enthalten.
Jede Ernährungsform, die nicht die vom Körper vorgegebenen Erfordernisse abdeckt,
muss weniger gesund sein als eine physiologisch angepasste. Und allein aus diesem
Grunde kann der Veganismus nicht gesund sein, denn bei dieser Ernährungsform fehlen
essentielle, d.h. lebenswichtige Nährstoffe, die ausschließlich pflanzliche Nahrung
nicht oder nur in Spuren enthält. Gemeint ist hier das Cobalamin, meist unter dem
Namen
Vitamin B12 bekannt. Dieses Vitamin ist nur in tierischer Nahrung wie z.B.
in Fleisch, Eiern oder Fisch enthalten. Veganer müssen es substituieren, d.h. sie
müssen entweder
Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, künstlich mit Vitamin B12
angereicherte Lebensmittel verzehren oder eine mit Vitamin B12 versetzte Zahnpasta benutzen,
denn eine Unterversorgung mit diesem Vitamin
zieht u.a. Störungen der Blutbildung, Schädigungen von Rückenmark und zentralem
Nervensystem bis hin zu Lähmungen oder auch Schwangerschaftskomplikationen nach sich.
Allein dies spricht für mich persönlich gegen den Gesundheitswert und gegen die
Berechtigung einer veganen Ernährung, denn es kann nicht von der Natur vorgesehen
sein, dass man einen lebenswichtigen Bestandteil als Nahrungs-Ergänzung einnehmen
muss, um gesund zu bleiben.
Selbstverständlich muss und darf jeder erwachsene Mensch für sich selbst entscheiden, was er für seinen
Körper tut oder unterlässt. Ich tue mich allerdings schwer damit zu akzeptieren,
wenn Eltern ihre Kinder vegan ernähren, denn sie verweigern oder zumindest erschweren
so die Möglichkeit, dass aus diesen Kindern körperlich und psychisch gesunde Erwachsene werden. Ganz
indiskutabel finde ich es, wenn Schwangere oder Stillende, die für ein heranwachsendes Leben verantwortlich sind,
zumindest in dieser Zeit keine Ausnahme machen wollen.
Ersatzprodukte
Wenn ein Mensch für sich selbst entscheidet, vegan zu leben, sollte
er dies mit der gleichen Überzeugung tun, wie er es meist nach außen postuliert.
Ersatzprodukte wie »pflanzliches Fleisch« (aus Soja oder Seitan), »Käse« (aus
pflanzlichen Ölen) und viele weitere Produkte, die dem Esser einen Geschmack wie
tierische Produkte vorgaukeln, kann ich dann nicht mit den häufig missionarischen
Äußerungen in Einklang bringen, wie gut die vegane Ernährung sei. Eine wirklich
leckere, vegane Mahlzeit kann durchaus auch ohne diese »Schummeleien«
zubereitet werden. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass all diejenigen, die meinen,
geschmacklich nicht auf Fleisch oder Käse etc. verzichten zu können, dann auch
zu dieser Überzeugung stehen sollten. Warum schauen sie nicht, welche Möglichkeiten
bestehen, tierische Nahrungsmittel aus einer akzeptablen Produktion zu erhalten und so diese
Hersteller zu fördern?
Abgesehen davon enthalten diese Ersatzprodukte in der Regel (zu) viele chemische Zutaten,
damit der Geschmack des Produkts erreicht werden kann, den sie imitieren sollen.
Auch wenn hier die Nahrungsmittel-Industrie Fortschritte macht und auch mit natürlichen Gewürzen mehr und mehr
akzeptable Ergebnisse erzielt, enthält unsere »zivilisierte« Nahrung ohnehin schon viel zu viele Zusätze.
Es kann nur ungut sein, diese auch in »nur noch« kleinen Mengen weiter zu vergrößern. Auf jeden Fall aber
sind alle diese Produkte industriell hochbearbeitet, die enthaltenen Nährstoffe großteilig denaturiert und die durch
die Verarbeitung zerstörten Vitalstoffe durch künstliche ersetzt. Ziel einer gesunden
Ernährung ist es aber grundsätzlich, die Lebensmittel so natürlich wie möglich zu belassen, was die Ersatzprodukten
eben in keinster Weise leisten können –
alles Minuspunkte für diese Ersatz-Produkte!
Nicht zu den Ersatz-Produkten im engeren Sinne würde ich die sogenannten »Pflanzenmilchen«
zählen, also beispielsweise Sojamilch, Mandelmilch, Kokosmilch oder Hafermilch. Diese wollen oder sollen
zwar tatsächlich die (Kuh-)Milch ersetzen, aber sie dürfen erstens lt. Gesetzgeber nicht
»...-milch« genannt werden, sondern z.B. Soja-, Mandel-, Kokos- oder Haferdrink und zum
anderen und vor allem enthalten sie in der Regel keine chemischen Zusatzstoffe, um den
Kuhmilchgeschmack 1:1 nachzuahmen. Deshalb sind die pflanzlichen Drinks eine gute Alternative, um
den Konsum von Kuhmilch mehr oder weniger reduzieren zu können und bringen zudem zusätzliche Geschmacksrichtungen
auf den Teller bzw. ins Glas.
Ohne Frage ist es eine gute Idee, ab und an eine vegane Mahlzeit in den Speisezettel einzubauen,
und es gibt wirklich keine nachvollziehbaren Gründe, warum in jeder Mahlzeit tierische Produkte in mehr
oder weniger großen Mengen und teilweise ohne deutliche Deklaration verarbeitet sein müssen.
Mit gelegentlichen veganen Speisen kann man ohne Probleme den Konsum von Fleisch und
tierischen Produkten insgesamt minimieren und
die oben beschriebenen ethischen und Umweltaspekte mehr berücksichtigen, als man dies
bei einem ungehemmten Fleischverzehr tun würde. Es ist also – wie immer und überall –
die Menge, die das Gift ausmacht. Eine (deutliche) Reduktion von tierischen Produkten
und des Öfteren eine vegane Mahlzeit, zubereitet aus leckeren,
ehrlichen Zutaten ist durchaus sinnvoll – Auswüchse wie Fleisch- oder Käse-Ersatzprodukte
sind dann nicht erforderlich.
(Glücklicherweise nicht immer) eine fanatische Lebenseinstellung
Zusätzlich zu den o.a. gesundheitlichen Aspekten beobachte ich leider viel zu oft eine unter
Veganern sehr verbreitete fanatische Haltung. Ob dies mit den eigenen, eng gesetzten
Grenzen in Bezug auf die Lebensmittelauswahl zusammenhängt, die kompromisslos alle,
aber auch wirklich alle tierischen Bestandteile aus dem Leben ausschließt, vermag
ich nicht abschließend zu beurteilen. Aber vielleicht verleitet eine solche für sich
selbst sehr eng gesetzte Lebenseinstellung dazu, auch andere Meinungen nur schwer tolerieren
zu können.
Eine solche Verhaltensweise bekommt von mir ebenfalls einen Minuspunkt –
aber glücklicherweise verhalten sich ja nicht generell alle Veganer so.
Ich selbst akzeptiere, wie gesagt, völlig, wenn Menschen sich einerseits nicht gemein machen
wollen mit den Tierquälern in den großen Mastbetrieben und andererseits die Verantwortung für
die nicht unbeträchtlichen Aspekte in Bezug auf unsere Umwelt nicht mitverantworten wollen – aber das muss nicht
zwangsläufig dazu führen, auf eine angemessene Ernährung aus überwiegend pflanzlichen
und wenig tierischen Lebensmitteln zu verzichten. Es kann auch durchaus sinnvoll
sein, sich vegetarisch, d.h. gänzlich ohne Fleisch zu ernähren, dies aber mit Milch, Eiern
und/oder Fisch zu ergänzen. Auch eine Ernährung mit nur wenig (artgerecht produziertem)
Fleisch und ebensolchen tierischen Produkten kann sehr gesund sein – eine solche Ernährungsform nennt sich
»
Flexitarismus« – und diese berücksichtigt nicht nur die etischen und Umweltaspekte,
sondern darüber hinaus auch die eigenen gesundheitlichen Erfordernisse.
Und somit erhält der Flexitarismus
für mich einen klaren Pluspunkt.
Es mag für alle Ernährungsformen Argumente und auch Gegenargumente geben –
und mitnichten muss zwangsläufig ein und dieselbe Ernährungsform für alle Menschen
die einzig Seligmachende sein. Und unabhängig davon, ob ich für mich den Veganismus gut
oder weniger geeignet finde, wünsche ich mir auf jeden Fall, dass sich alle Menschen
– egal wie sie sich ernähren – nebeneinander leben lassen. Grundsätzlich
darf keine Lebensform – egal ob in Bezug auf die Ernährung oder auf andere
Bereiche des Lebens – dazu führen, alle Andersgesinnten missionieren und
ihnen die eigene Meinung »überstülpen« zu wollen.
Psychische Aspekte
Wenn man eine Diät einhalten muss (oder möchte), ist dies immer mehr oder weniger belastend für die Psyche. Bei Diäten,
die aufgrund von gesundheitlichen Problemen eingehalten werden müssen, muss man zwar auch sehr genau hinschauen, was
man isst bzw. eben nicht isst, erhält aber im Gegenzug eine »Belohnung« durch die zurückgehenden Beschwerden.
Dies führt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei der »Kosten-/Nutzenabwägung« zu einer positiven Bilanz.
Hinzukommt, dass das soziale Umfeld bei einer Erkrankung meist mehr Verständnis für die Notwendigkeiten aufbringt.
Anders ist es bei freiwillig gewählten Diäten wie dem Vegetarismus oder Veganismus. Die Gründe für die Entscheidung
insbesondere beim Veganismus sind von den Mitmenschen in der Regel weniger nachvollziehbar – wobei dies hier
an dieser Stelle keine Bewertung von mir sein soll!
Abgesehen von der deutlich eingeschränkten Spontaneität führt diese Tatsache auf jeden Fall zu mehr Stress in Zusammensein
mit anderen Menschen. Unabhängig davon, ob ein Verzicht erzwungen oder freiwillig ist, ist es immer anstrengend, diesen
Verzicht den Mitmenschen erklären zu müssen, denn beim gemeinsamen Essen wird es zwangsläufig von den anderen bemerkt,
wenn man die Inhaltsstoffe einer Mahlzeit hinterfragt. Je hartnäckiger dieses Hinterfragen ist bzw. sein muss, desto
auffälliger wird es sein, so dass es wahrscheinlich jeder mitbekommt. Je mehr Verständnis die anderen für das Bedürfnis
aufbringen können oder wollen, desto einfacher wird es. Bei Erkrankungen ist eine solches Verständnis erfahrungsgemäß
größer als bei freiwillig gewählten Einschränkungen.
Nun macht es auf den ersten Blick keinen Unterschied, ob die Mitmenschen für mein Bedürfnis Verständnis aufbringen oder
nicht – ich selbst kann mich trotzdem für oder gegen eine Speise entscheiden. Aber alles, was mich aus der »Anonymität
der Masse« herauskatapultiert und mich deutlich sichtbar, deutlich anders macht, ist immer unangenehm und bringt Stress und
belastet die Psyche. (Es gibt zwar auch Menschen, denen es durchaus angenehm ist, sich mit einer Krankheit oder einem Anderssein
hervorzuheben und sogar mit ihren Erkrankungen kokettieren oder auch mit »Besonderheiten« provozieren, dies sind aber
Auffälligkeiten, die an dieser Stelle nicht thematisiert werden sollen.)
Bei krankheitsbedingten Diäten führt an diesem Stress kein Weg vorbei. Bei freiwilligem Verzicht, sofern er wirklich hundertprozentig
konsequent durchgeführt werden soll, auch nicht. Und beim Veganismus ist dieser konsequente Verzicht bei gemeinschaftlichen Mahlzeiten
grundsätzlich sehr extrem und sehr deutlich, weil jede Speise ohne Ausnahme auf ihre Zutaten hinterfragt werden muss. Ob Fleisch in einem
Gericht enthalten ist, kann man oft sehen, weshalb Vegetarier weniger Probleme haben, sich ihre Gerichte ohne Frage an den
Koch oder die Köchin zusammenzustellen. Für Veganer aber ist ja nicht generell ersichtlich, ob bei der Zubereitung irgendwelche tierischen Bestandteile
enthalten sind, die man auf den ersten Blick nicht erkennen kann. Und ein erster Blick genügt einem kompromisslosen Veganer eben nicht
– es
darf keine tierische Zutat enthalten sein.
Ein solches Verhalten ist vor den etischen und umweltbezogenen Hintergründen natürlich verständlich, aber es sind mit Sicherheit
nicht nur die Hinterfragerei, sondern auch die damit verbundene soziale Ausgrenzung anstrengend –
in Bezug auf die psychische
Belastung also ein Minuspunkt für die vegane Ernährung.
Selbstverständlich kann man auf dem Standpunkt stehen, dass es andere nichts angeht, wie ich meine Essensgewohnheiten gestalte, aber es
ist nun einmal so, dass ich nicht allein auf der Welt bin und mich immer in einem sozialen Umfeld bewege. Und dieses soziale Umfeld,
die Mitmenschen, nehmen Anteil an dem, was die anderen tun oder nicht tun. Es wäre schön, wenn jeder jeden anderen nach dessen Facon leben lassen könnte
– nach dem wunderbaren kölschen Motto »Jeder Jeck ist anders« – aber es hat ja auch seinen Vorteil, wenn meine
Mitmenschen mich beobachten und mir im Ernstfalle Empathie und Hilfe zukommen lassen. Deshalb ist es wichtig, mit meinen eigenen
Verhaltensweisen die Geduld und Akzeptanz der anderen nicht überzustrapazieren – denn je häufiger und drastischer sich einzelne
oder oft auch mehrere Mitglieder einer Essensgemeinschaft ausgrenzen, desto weniger spurlos geht
dies an den anderen vorüber. Eine Rücksichtnahme sollte also
nach Möglichkeit immer bidirektional sein.
Wenn man davon absieht, dass aus gesundheitlicher Sicht eine rein vegane Ernährung
nicht
der beste Weg ist, wäre die Frage zu stellen, ob nicht ein etwas lockererer Umgang mit den
veganen Gewissensgründen unter Inkaufnahme kleinerer Belastungen der durchaus ja
unterstützenswerten Aspekte der bessere Weg wäre. Für die Psyche wäre ein gelegentliches Aufweichen ganz bestimmt von Vorteil.
Soziale Aspekte
Unabhängig davon, welche Ernährungsform man freiwillig oder auch gezwungenermaßen wählt, hat dies immer
auch Auswirkungen im Zusammenleben mit anderen Menschen. Sobald ein Veganer mit Freunden oder
Familienmitgliedern, die eine »Normalkost« (gemeint ist damit, dass keine Unverträglichkeiten
beachtet werden müssen) bevorzugen, zusammen isst, ergeben sich zwangsläufig Interessenkonflikte.
Sitzt nur eine einzige Person mit veganer Ernährungsweise
als Gast am Tisch, ist dies noch relativ
einfach zu handhaben, sofern der Veganer entweder für sich selber kocht und seine Speisen mitbringt oder den
Gastgeber rechtzeitig über die Erfordernisse informiert hat und dieser bereit ist, sich auf eine eventuell
für ihn fremde Speisenauswahl einzulassen. Der Gastgeber muss dann entweder für alle vegan kochen (was diese
ggf. als Bevormundung oder Zumutung betrachten könnten) oder aber er muss
für den Veganer ein Extragericht zubereiten. Geht dann allerdings etwas schief und ein dogmatischer Veganer
weigert sich, die mühevoll zubereitete Mahlzeit zu essen, kann dies schnell zu Verwerfungen führen.
Ist der Veganer selber der
Gastgeber, gibt es weniger Probleme, denn hier kann man selbst bestimmen, welche
Zutaten verwendet werden. Falls Ersatzprodukte wie vegane »Wurst«, »Fleisch« oder »Käse« verwendet werden,
sollte fairerweise vor dem Beginn der Mahlzeit darauf hingewiesen werden, damit es keine peinlichen Überraschungen gibt.
Sehr viel geschickter wäre es, die Gäste vorab zu informieren, dass es eine vegane Mahlzeit geben wird (falls
die vegane Lebensweise nicht bereits bekannt ist), so dass sich niemand überfahren fühlt.
Unabhängig davon, ob der Veganer Gast oder Gastgeber ist, kann es komplizierter werden, wenn weitere Gäste mit
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten oder sonstigen Problemen ebenfalls nur
eine eingeschränkte Palette an Lebensmitteln essen dürfen.
Wenn sich meine gesamte Großfamilie trifft, sitzen auch Menschen mit Laktose- und mit Fruktose-Intoleranz, mit Zöliakie
und mit Diabetes am Tisch. Es ist schon hier nicht einfach aber doch möglich, alle unter einen Hut zu bekommen.
Ehrlich gesagt bin ich sehr froh, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, vegan leben zu wollen. Allerdings
kommen bei mir ohnehin viele pflanzliche und sehr wenige tierische Zutaten auf den Tisch, alles aus biologischer
und ethisch einwandfreier Herkunft. Aber wenn ich jetzt noch jede Zutat daraufhin abklopfen müsste, ob irgendwo
eine tierische Komponente im Herstellungsprozess enthalten (gewesen) ist, würde dies die Vorbereitungszeit
zumindest für mich unakzeptabel verlängern.
Werden keine
Ersatzprodukte zugefügt und die Mahlzeit
lediglich tierproduktfrei aus normalen pflanzlichen
Zutaten zubereitet, die in jeder Küche verwendet werden, werden viele vielleicht gar nicht bemerken, dass
es ein veganes Gericht ist. Unter Umständen mag der eine oder andere Fleischliebhaber
seine geschätzte Komponente vermissen, aber es ist ja dem Gastgeber freigestellt, welches Essen er anbietet.
Vielleicht sind ja Gemüse, Hülsenfrüchte oder sonstige Zutaten enthalten, die die Gäste noch nicht kennen und
für die ihr Interesse geweckt werden kann. Viele Veganer haben einen wesentlich weiteren Blick auf die
zur Verfügung stehende, pflanzliche Lebensmittelauswahl als »Otto Normalverbraucher«.
Ein Problem wird aber unter Umständen – zumindest latent – mit am Tisch sitzen, und dies ist
eine eventuell beschränkte Akzeptanz der anderen gegenüber dem Veganismus – eben weil unglücklicherweise
unter den Veganern öfters entweder eine intolerante Haltung gegenüber Andersdenkenden oder missionierende Verhaltensweisen
verbreitet sind. Es wird deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit zum Gesprächsthema werden, wobei dies sowohl von den
nichtveganen Gästen als auch vom Veganer selbst ausgehen kann. Ob und in welchem Rahmen dies erwünscht ist, sollte
auf jeden Fall von demjenigen, der das Thema anschneidet, feinfühlig eruiert werden.
Ob in Bezug auf die sozialen Aspekte Plus- oder Minuspunkte zu verteilen sind, hängt deshalb vom feinfühligen und respektvollen Miteinander ab.
Veganismus und Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Muss (oder möchte) der Veganer selbst sich lediglich an die freiwillig gewählte Ernährungsform halten, ist die Auswahl der Speisen
noch relativ groß. Man verzichtet halt nur auf tierische Produkte, muss allerdings die
physiologischen
Erfordernisse beachten, um keinen Mangel zu leiden.
Kommen jedoch durch eine oder sogar mehrere
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten,
Allergien oder sonstige Verdauungsprobleme
weitere, zwingende Erfordernisse zum Veganismus hinzu, ist es nicht nur sehr viel schwieriger, alle Aspekte
zu beachten. Vor allem aber schränkt sich dadurch die Lebensmittelauswahl zusätzlich mehr und mehr ein.
Es ist und muss immer das Ziel einer wirklich der Gesundheit zuträglichen Ernährung sein,
eine möglichst große
Palette an zur Verfügung stehenden Lebensmitteln zu verzehren, weil sich
dies auf die Vielfältigkeit der Mikrobiota auswirkt. Kommen durch die verschiedenen Erfordernisse nur noch
sehr wenige Lebensmittel in Betracht, leidet die
Diversität der Mikroorganismen im Darm und im Zuge dessen auch die
Qualität der Darmschleimhaut – mit allen nachteiligen Folgen für die Gesundheit.
Ein klarer – und entscheidender – Minuspunkt für eine vegane Ernährung bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten!
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, Allergien und alle Arten von Verdauungsproblemen mit den dadurch erforderlichen
(eventuell vorübergehenden) Einschränkungen in Bezug auf die Speisenauswahl sollten Vorrang vor freiwilligen
Restriktionen haben. Dies ist keine Bewertung oder gar Abwertung des Veganismus, aber
krankheitsbedingte Anforderungen
müssen immer prioritär beachtet werden. Deshalb sollte klug überlegt werden (ggf. mit Hilfe einer
spezialisierten Fachberatung),
welche Alternativen bestehen, die möglichst viele der zu beachtenden Aspekte berücksichtigen. Sobald sich die gesundheitliche Lage
verbessert, kann überlegt werden, ob und ggf. in welcher Ausprägung man zu einer flexitarischen, vegetarischen oder später auch
wieder veganen Ernährung zurückkehren kann oder will.
Veganismus und bakterielle Fehlbesiedelungen
Genauso, wie es problematisch ist, eine vegane Ernährung mit
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
und/oder -Allergien zu vereinbaren, wird es in der Regel schwierig, wenn bakterielle Fehlbesiedelungen des Darm bestehen – eine
Dünndarmfehlbesiedelung oder SIBO und/oder eine Dysbiose des Dickdarms.
Insbesondere die Dünndarmfehlbesiedelung braucht – vorübergehend – eine Diät, die arm an komplexen Kohlenhydraten ist, die
sogenannte
Low-FODMAP-Diät, um den fehlsiedelnden Bakterien das Futter und damit die Vermehrungsfähigkeit zu entziehen.
Eine vegane Ernährung enthält aber immer einen sehr viel höheren Anteil an Ballaststoffen, die bei einer SIBO kontraproduktiv sind
Bei einer Dysbiose, die ja ebenfalls eine bakterielle Fehlbesiedelung ist – diesmal aber im Dickdarm – muss ebenfalls mit der Ernährung
darauf geachtet werden, dass die Speisen so ausgewählt werden, dass das Angebot der enthaltenen Nährstoffe von den derzeitigen Bakterienarten der
Mikrobiota im Dickdarm verstoffwechselt werden kann, ohne unnötig Gase und ungesunde Säuren zu produzieren.
Im Allgemeinen verzehren Veganer zur Deckung ihres Proteinbedarfs größere Mengen Hülsenfrüchte wie Soja und Lupinen, aber auch Erbsen, Bohnen
und Linsen etc. Diese Pflanzengruppen enthalten sehr viele
Oligosaccharide. Dies sind Mehrfachzucker,
für die wir Menschen in unserem Verdauungssystem die benötigten Enzyme nur unzureichend bilden können. Deshalb werden diese Zuckerarten immer in größeren
Mengen in den Dickdarm geschleust und dort von den Darmbakterien vergoren. In gewissen Grenzen kann sich die Besiedelung dort anpassen, aber nicht unbegrenzt.
Das bedeutet, dass sich bei einem erhöhten Verzehr von Hülsenfrüchten immer zu viele Gase und Säuren im Dickdarm befinden. Selbst wenn bei Aufnahme der veganen
Ernährung das bakterielle Gleichgewicht in Dünn- und Dickdarm noch gesund gewesen ist, ist die Gefahr sehr groß, dass im günstigsten
Falle »nur« vermehrte Blähungen folgen, in ungünstigeren Fällen aber kann dadurch aber auch eine Dünndarmfehlbesiedelung entstehen.
In Bezug auf bakterielle Fehlbesiedelungen in Dünn- und/oder Dickdarm kann es deshalb für die vegane Ernährung auch nur einen Minuspunkt geben.
Fazit
Wie alles, entwickeln sich auch die Grundsätze der Ernährung kontinuierlich weiter,
und wahrscheinlich wird auch in wenigen Jahren schon die vegane Strömung »Schnee von gestern« sein.
Anfang des vorigen Jahrhunderts postulierte Max Otto Bruker die radikale
Vollwerternährung als das einzig Seligmachende. Vor wenigen Jahrzehnten, während
meines Studiums, galt dann das Fleisch als das Non plus ultra, das mindestens täglich
verzehrt werden müsse, um gesund zu bleiben. Dann wieder schwenkte die durch
wissenschaftliche Forschungen beflügelte öffentliche Meinung um – wieder hin
zu der Überzeugung, dass die Vollwertkost mit viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch
das Gesündeste sei. Derzeit gibt es zwei große Strömungen: zum einen ist dies der
Veganismus und zum anderen das genaue Gegenteil, die Paleo- oder sogenannte Steinzeitdiät mit ihrem überbordenden Fleischkonsum.
Was nun wirklich das Richtige in Bezug auf die Gesundheit unseres Organismus bei der Ernährung ist,
wird man abschließend sicherlich nie wissen, und mit Ausnahme der physiologischen Voraussetzungen ist nichts in Stein
gemeißelt oder gilt für jeden und jede.
Allerdings wird es sich (hoffentlich) nicht mehr ändern, dass wir alle
erkennen, welch
große Verantwortung wir mit unserer Nahrungsauswahl für andere Lebewesen und für
die Umwelt tragen.
In Bezug auf die Gesundheit zumindest meine ich jedoch, dass es »DIE« richtige Ernährung gar nicht geben
kann – jedenfalls nicht die richtige Ernährung für JEDERMANN. Ernährung ist
immer individuell. Sie muss zu dem einzelnen Menschen passen,
zugeschnitten auf
die gesundheitlichen Bedürfnisse und die zeitlichen Möglichkeiten, die familiären
Umstände, aber auch auf die individuellen Vorlieben. Und letztendlich wird sie sich
auch im Laufe eines Menschenlebens mehrfach ändern. Deshalb bitte ich Sie, sich auf der Basis all der
Informationen, die Sie hier und insgesamt auf meiner Website bekommen, eine eigene
Meinung zu bilden.
Die aus meiner Sicht beste Entscheidung sollte nicht zwischen zwei Extremen – einer veganen oder einer überwiegend
fleisch- und tierproduktelastigen Ernährung – getroffen werden, sondern idealerweise zugunsten einer
Ernährungsform, die die gesundheitlichen Erfordernisse berücksichtigt
und bei der tierische Lebensmittel
nach deren einwandfreier Herkunft gewählt und so weit wie möglich reduziert werden – also einer Ernährungsform,
die als
Flexitarismus bezeichnet wird. Wenn eine solche Entscheidung dann auch noch flexibel gestaltet werden könnte
(was ja eigentlich auch in dem Begriff des Flexitarismus enthalten ist),
die je nach Situation einmal in die eine Richtung verschärft und ein anderes Mal in die andere Richtung gelockert werden kann,
wird die Ernährung nicht zu einem Dogma, sondern zu dem, was die Aufnahme von Speisen sein soll:
Ernährung von Körper, Geist und Seele.
Empfehlung: Die DorisPaas.de – Lebensmittel-Datenbank
Eine zusätzliche Hilfe bei der Ermittlung geeigneter Lebensmittel insbesondere bei
verschiedenen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten oder im Rahmen einer Low-FODMAP-Diät ist die
»DorisPaas.de – Lebensmittel-Datenbank«
Informieren Sie sich hier.
Beratung
Gerne stehe ich Ihnen mit einer Beratung zur Verfügung, wenn Sie weitere Informationen benötigen, insbesondere
dann, wenn Sie Erkrankungen und/oder Nahrungsmittel-Unterträglichkeiten und Allergien
zu berücksichtigen haben –
auf Wunsch auch
telefonisch oder per Zoom oder Skype.
Bitte informieren Sie sich unter dem Menüpunkt
»Praxis«.
Lesen Sie hierzu bitte auch folgende Beiträge:
Fleisch oder kein Fleisch – was ist gesunde Ernährung?
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Dünndarmfehlbesiedelung
FODMAP-Diät
Oligosaccharid-Unverträglichkeit
Zeitmanagement bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Entspannung
Nahrungsergänzungsmittel – und welche Grundsätze gilt es zu beachten
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