Wenn Verdauungsbeschwerden wie Blähungen – insbesondere festsitzende – und weiche Stühle bis hin zu
Durchfällen immer wieder und vor allen meist schon nach einer sehr kurzen Zeit
nach jeder Mahlzeit auftreten, ist es möglich, dass eine Dünndarmfehlbesiedelung
(DDFB) vorliegen könnte.
In Zeiten der »Selbstbehandlung durch das Internet«, in der viele Menschen
mit entsprechenden Problemen im WorldWideWeb nach möglichen Ursachen und einer
Behandlung suchen, erlebt die DDFB derzeit jedoch einen wahren Boom: In den einschlägigen Foren
gibt es kaum einen Beitrag, bei dem nicht irgendwann die »Diagnose«
Dünndarmfehlbesiedelung genannt wird.
Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass Sie sich bei einem eventuellen Verdacht
umfassend über die Hintergründe, über die Ursachen und über Behandlungsmöglichkeiten
informieren, bevor Sie sich zum einen Sorgen machen und zum anderen überflüssige
Diagnostiken und Behandlungen in Kauf nehmen, die u.U. gar nicht erforderlich sind.
Auf dieser Seite möchte ich Ihnen einen Überblick geben.
Definition
Der Dünndarm beherbergt – wie auch der Dickdarm – bestimmte Bakterien.
Beim Dickdarm kennen wir die Bakterien als die so genannte »Darmflora«
(auch Mikrobiota oder Mikrobiom genannt). Die Darmflora besteht aus vielen verschiedenen
Bakterienarten – je weiter die Erforschung dieses interessanten Bereichs
fortschreitet, desto mehr Bakterienarten werden entdeckt. Derzeit geht man von 500
– 1000 verschiedenen Bakterienarten aus, die die Dickdamflora besiedeln.
Alle zusammengenommen zählt die Dickdarmflora schätzungsweise etwa hundert Milliarden
(10
11) bis eine Billion (10
12) einzelne Mikroorganismen pro
Gramm Kot. Zusammen wiegt das Dickdarmbiom etwa 1 – 2 Kilogramm. Nicht nur
wegen dieser Menge, vor allem aber auch wegen der wichtigen Funktionen, für die
das Mikrobiom im menschlichen Körper verantwortlich ist, wird sie auch als ein
selbstständiges Organ angesehen.
Im Dünndarm siedeln nicht nur sehr viel weniger Bakterien. Hier sind es »nur« etwa
eintausend (10
3) bis zehn Millionen (10
7) Bakterienindividuen
pro Gramm Stuhl, und es sind wesentlich weniger verschiedene, vor allem aber auch
andere Arten von Bakterien. Im Dickdarm herrschen die so genannten anaerobischen
Bakterienarten vor, im Dünndarm sind es eher die Aerobier wie z.B. die Lactobacillen.
Sowohl im Dünndarm als auch im Dickdarm haben alle Bakterienarten ihre ganz spezifischen
Funktionen. Geraten nun Bakterien aus dem Dickdarm nach oben in den Dünndarm,
arbeiten sie trotzdem weiter in der für sie typischen Weise. Das ist so natürlich
eigentlich nicht vorgesehen und hat logischerweise Beschwerden zur Folge.
Die Fehlbesiedelung des Dünndarms wird auch als SIBO oder SIBOS bezeichnet. Diese
Bezeichnungen leiten sich von den englischen Begriffen »Small bowel (bacterial)
overgrowth« bzw. »Small intestine overgrowth syndrome« her.
Ursachen
Der Dünndarm ist gegenüber dem Dickdarm mit einer Ventilklappe, der Ileozökalklappe,
abgeschlossen (Ileum = Krummdarm. Das terminale Ileum ist das letzte Stück des Dünndarms; Coekum = Blinddarm,
d.h. das erste Stück des Dickdarms). Weitere Bezeichnungen für dieses Ventil sind
»Bauhin'sche Klappe« oder »Dickdarmklappe«. Eine korrekt
funktionierende Ileozökalklappe lässt den Speisebrei nur von oben, vom Dünndarm, nach unten
in den Dickdarm hindurch und soll den Rückstrom von Kot aus dem Dickdarm in den
Dünndarm verhindern. Somit sollten bei normaler Funktion dieser Klappe auch keine
nennenswerten Mengen an Dickdarmbakterien in den Dünndarm gelangen.
Wenn nun jedoch dieses Ventil nicht mehr richtig schließt, können eben doch Bakterien
von unten nach oben gelangen. Diese können beispielweise mit kleineren Stuhlmengen
oder – was häufiger der Fall ist – durch Blähungen in den Dünndarm
transportiert werden.
Ursachen hierfür gibt es mehrere: Meist sind es vermehrte Blähungen, die die
Ileozöklaklappe »ausleiern« – durch den Druck von unten wird das
Ventil geöffnet, und Bakterien können aufsteigen. Vermehrte Blähungen sind meist
Begleiterscheinungen von Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten. Ungefährlich ist
in dieser Beziehung ein normaler Verzehr von blähenden Nahrungsmitteln wie Hülsenfrüchten,
Kohl oder Zwiebeln – hier nimmt die Dickdarmklappe nicht gleich Schaden.
Aber auch andere Erkrankungen wie z.B. eine Zöliakie, chronisch entzündliche
Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa oder auch eine
verlangsamte Darmpassage können zu einer Schädigung und/oder zur Erschlaffung
der Ileozökalklappe und damit zu einer Dünndarmfehlbesiedelung führen. Oder aber –
ganz banal – auch »
schlechter Stuhlgang«
und hier insbesondere häufige Verstopungen können ebenfalls die Basisursache sein.
Symptome
Wie oben beschrieben, treten bei einer DDFB insbesondere Blähungen, weiche, häufige
Stühle oder auch Durchfälle auf. Im Gegensatz zu den typischen Beschwerden, die
durch Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten verursacht werden, treten die Symptome
meist schon nach einer sehr kurzen Zeit nach einer Mahlzeit auf. Der Zusammenhang
erklärt sich wie folgt:
Wenn mit der Nahrung Zucker aus dem Magen in den Dünndarm gelangt, wird dieser hier
normalerweise enzymatisch aufgespalten, verarbeitet und ins Blut aufgenommen. Nur
die unverarbeiteten Zuckerreste geraten in den Dickdarm, wo sie von den dortigen
Bakterien verstoffwechselt werden. Diese Reste sind jedoch – sofern keine
Kohlenhydrat-Unverträglichkeit (z.B. Laktose-, Fruktose-, Sorbit-Intoleranz)
vorliegt, mengenmäßig sehr gering und erzeugen kaum bemerkbare Probleme.
Befinden sich nun im Dünndarm Bakterienarten aus der Dickdarmflora und diese in
einer sehr viel dichteren Anzahl und vor allem auch bereits im oberen Abschnitt
der Dünndarms (im Zwölffingerdarm), üben diese Bakterien bereits hier Funktionen
aus, die üblicherweise erst im Dickdarm stattfinden würden: Gelangt Zucker mit der
Nahrung in den Dünndarm, »stürzen sich« die Bakterien darauf und
verstoffwechseln ihn, bevor die enzymatische Verdauung greifen kann.
Dies ist auch der Grund, warum die Symptome bereits sehr schnell nach der Mahlzeit
auftreten, denn die Nahrung gelangt ja sehr viel rascher in den Dünndarm als in
den Dickdarm. So sind Beschwerden, die ja auch für Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
typisch sind, aufgrund des zeitnahen Auftretens gut einer DDFB zuzuordnen.
Diagnose
Nicht nur die Symptome und die Zeiträume geben einen Hinweis darauf, ob eine
Dünndarmfehlbesiedelung vorliegen könnte. Es gibt auch Tests, mit denen der Arzt
eine Diagnose erhärten kann.
Hierzu wird ein Atemgastest mit einer in Wasser gelösten Testsubstanz (Glukose oder Laktulose) durchgeführt.
Bei der Besiedelung des Dünndarmes mit »normalen«, Bakterienarten würde bei beiden
Testarten in der Zeitspanne, die die Lösungen benötigen, um vom Dünn- in den Dickdarm zu gelangen,
keine Anstiege der Atemgase (Wasserstoff und Methan) anzeigen. Bei einer DDFB liegt jedoch
eine unnatürliche Besiedelung mit wasserstoff- und ggf. auch methanproduzierenden Bakterienarten im
Dünndarm vor. Deshalb steigt der Gehalt der Gase in der Ausatemluft schon in diesem Zeitfenster
schnell und stark an.
Auch wenn bei anderen Atemtests, die z.B. zur Diagnose von Laktose-,
Fruktose- oder Sorbit-Unverträglichkeiten durchgeführt werden, der Wasserstoff- bzw. Methangehalt
in diesem Zeitfenster stark ansteigt kann dies unter bestimmten Bedingungen
ein Hinweis auf eine DDFB sein.
Hierbei ist dann der genaue Verlauf der Messkurve zu berücksichtigen, denn aus
diesen Werten kann man nicht nur schlussfolgern, ob eine DDFB vorliegt, sondern
auch, ob die Ileozökalklappe noch weitestgehend intakt oder schon defekt ist.
Im letzteren Fall könnte eine so genannte »Back-Wash-Ileitis«
hinzukommen, bei der Kotbrei um die Ileozökalklappe hin und her spült. Dabei kann
sich das letzte Stück des Dünndarms, das terminale Ileum entzünden, wobei hier
weitere Beschwerden als Indiz hinzukommen.
Es gibt diese Test mittlerweile auch für die Anwendung zu Hause. Es kann durchaus sinnvoll sein,
einen solchen Heimtest durchzuführen, weil sie im Vergleich zu den Tests in einer Arztpraxis auch Vorteile
bieten können. Allerdings sollten Sie unbedingt vorher einen geschulten Berater konsutlieren, um
Anwenderfehler zu vermeiden, die den Test unbrauchbar machen könnten. Weiterhin ist es wichtig,
die Auswertung mit diesem Spezialisten zu besprechen, denn die standardmäßigen und automatisierten
»Testergebnisse« und erst recht die Therapievorschläge, die man von den Laboren erhält, sind
meiner Meinung nach weder ausreichend noch berücksichtigen sie die individuellen Gegebenheiten in angemessener Form.
Und die Investition für einen solchen Heimtest, die Sie immer selbst bezahlen müssten, wären herausgeworfenes Geld,
wenn die Auswertung mangelhaft wäre.
Deshalb besprechen Sie sich bitte mit einem Spezialisten, der die mit Ihnen die Vorbereitungen bespriche und der die
entsprechenden Messwerte korrekt zu interpretieren weiß.
Behandlung
Standardmäßig wird derzeit noch die Dünndarmfehlbesiedelung mit chemischen (allopathischen)
Antibiotika behandelt. Hierbei
werden die Bakterien abgetötet, die den Dünndarm besiedeln. Leider wird durch diese
Behandlung jedoch auch die Dickdarmflora stark in Mitleidenschaft gezogen, so dass
die Regeneration meist sehr langwierig ist und auch nicht ohne Folgesymptome abläuft.
Besser und nebenwirkungsärmer ist die Behandlung mit natürlichen Mitteln, die nur
mild antibiotisch wirken und weniger unerwünschte Nebenwirkungen haben. Leider hat sich diese alternative
Behandlungsmethode unter Gastroenterologen bisher nur zögerlich durchgesetzt.
Nach jeder Antibiose – auch nach der der natürlichen Antibiose –
müssen die Darmschleimhaut und die Darmflora wieder
aufgebaut werden – auch hier können natürliche Mittel wie geeignete Probiotika
und auch
Vitalpilze zum Einsatz kommen.
Eine noch elegantere Behandlungsmethode ist die Verdrängungsmethode, bei der die fehlsiedelnden Keime
mit geeigneten Probiotika zu verdrängen, die in eine normale, geunde Dünndarmflora gehören.
Hierbei ist es besonders wichtig, nicht mit den reichlich beworbenen »Feld-Wald-und-Wiesen«-Präparaten
zu arbeiten, sondern die Auswahl mit einem ausgebildeteten Therapeuten/Berater auszuwählen, denn erstens
ist nicht jedes Produkt für diese Behandlungsform jeden geeignet und zweitens ist auch nicht jedes Mittel für
jeden Betroffenen geeignet.
Diese Verdrängungsmethode eigent sich vor allem für »leichtere« Fehlbesiedelungen, bietet dann
aber den unschätzbaren Vorteil, die ohnehin desolate Mikrobiota zu schonen und sogar bei der richtigen
Auswahl stützen zu können, statt sie wie bei den Antibiosen zu schädigen.
In allen Fällen gilt: bitte »basteln« Sie hier nie auf eigene Faust, sondern lassen
Sie sich fachgerecht beraten.
Begleitend ist es auf jeden Fall erforderlich, die Ernährung umzustellen und anzupassen. Aus den
Zuckerverzehr sollte man in der Behandlungsphase weitestgehend reduzieren, und auch
nach der Behandlung sollte weniger Zucker verzehrt werden. Darüber hinaus ist zu
schauen, ob evtl. Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten vorliegen, die ernährungsmäßig
zu beachten sind. Erst, wenn die Nahrung verträglich ist und keine Verdauungsstörungen
wie Blähungen oder weiche Stühle mehr auftreten, kann sich die bakterielle Besiedelung
des gesamten Darms regenerieren und normalisieren. Weiterhin kann sich nur bei
Symptomfreiheit eine geschädigte Ileozökalklappe erholen, um so zu verhindern,
dass erneut Dickdarmbakterien in den Dünndarm aufsteigen.
Die sieben Behandlungssäulen
Insgesamt basiert eine erfolgreiche Behandlung auf sieben gleichwichtigen Säulen:
Korrekte Diagnose
Eine korrekte Diagnose sollte auf der einen Seite alle erforderlichen Maßnahmen
umfassen, auf der anderen Seite aber belastende und oft auch überflüssige und
vielleicht sogar kostenträchtige Untersuchungen vermeiden.
Ursachensuche
Eine ganz wichtige Behandlungssäule ist die Suche nach der Ursache der Erkrankung. Es hat immer einen Grund,
warum Bakterien aus dem Dickdarm in den Dünndarm wandern, denn dort gehören sie nicht hin.
Ohne die Usache(n) abzustellen, gibt es keine Heilung – zumindest keine dauerhafte.
Eine der wichtigsten Maßnahmen, eine nachhaltige Besserung zu erzielen ist deshalb das Abstellen
der Enstehungsursache(n).
Antibiose oder Verdrängung
Um die unerwünschten Bakterien aus dem Dünndarm zu entfernen, stehen
verschiedene Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung. Sie können sich
zwischen allopathischen (pharmazeutischen) oder natürlichen Mitteln zur Antibiose entscheiden.
In geeigneten Fällen kann auch versucht werden, die unerwünschten Bakterien mit geeigneten Probiotika
aus den betroffenen Darmabschnitten zu verdrängen.
Behandlungsbegleitende Maßnahmen
Gleichzeitig mit der Antibiose sind verschiedene behandlungsbegleitende Maßnahmen
erforderlich, um den Bakterien im Dünndarm die Lebensgrundlage zu entziehen. Ganz wichtig
ist deshalb u.a. eine adäquate Ernährung mit der Beachtung eventueller
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten. Darüber hinaus ist eine
kontinuierliche Bewegung in Form von
Darmgymnastik erforderlich,
um einen gleichmäßigen Transport des Speisebreis durch den Darm zu gewährleisten.
Sanierung der Darmschleimhaut
Im Anschluss an die Antibiose bzw. idealerweise ein wenig überschneidend muss die
Darmschleimhaut saniert werden, die mit Sicherheit geschädigt und durchlässig ist.
Sanierung der Dickdarmflora
Nach der Sanierung der Darmschleimhaut muss die Dickdarmflora wieder in ein gesundes
Gleichgewicht gebracht werden.
Gesunderhaltung der Darmflora
Während und im Anschluss an die Behandlung müssen dauerhafte Maßnahmen zur Gesunderhaltung
der Darmflora beachtet werden, um einen nachhaltigen Erfolg und die größtmögliche
Sicherheit vor Rückfällen gewährleisten.
Lesen Sie hierzu bitte auch folgende Beträge:
Diagnose der Laktose-Intoleranz (mit weiteren Atemtests)
Dünndarmfehlbesiedelung als Ursache des Reizdarm-Syndroms
Multiple Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Enzyme
Darmpflege: Gesunder Darm – gesunder Mensch
Gesunde Verdauung
Stuhlgang – Probleme und Lösungen
Grundsätzliches über die Darmflora
Darmschleimhaut – Aufbau, Funktionen, Pflege und Sanierung
Pflege der Darmflora
Darmgymnastik
Sanierung der Darmflora
Parasiten- und Pilzbesiedelung des Darms
Genussmittel bei Darmempfindlichkeit
Probiotische Gärgetränke
Zeitmanagement bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten
Vitalpilze
Empfehlung:
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