Letzte Aktualisierung: 14.4.2018

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Beitrag auf www.spiegel-online.de

Laktoseunverträglichkeit: Kampf mit dem Milchzucker

Mein Kommentar (in der Kommentarliste unter den Nummern 76 und 77):

»Es ist schade, dass hier offensichtlich immer wieder einer vom anderen abschreibt, ohne wirklich einmal selbst korrekt zu recherchieren, bzw. ohne die wirklich relevanten Tatsachen herauszustellen und den weniger wichtigen den ihnen zustehenden Stellenwert zuzuweisen. Gerade vom Spiegel hätte ich mir hier Sorgfalt gewünscht.

Ja, es ist richtig, dass die meisten Menschen auf der Welt laktoseintolerant sind und wir hier bei uns »nur« aufgrund einer Genveränderung den Milchzucker (Laktose) auch noch im Erwachsenenalter vertragen. Somit ist schon einmal klargestellt, dass weder das eine (Laktosetoleranz) noch das andere (Laktoseintoleranz) besser oder schlechter ist oder gar einen Krankheitswert hat. Es beschreibt lediglich eine Eigenschaft – so wie beispielsweise die braune oder blaue Augenfarbe.

Völliger Unsinn ist es jedoch zu behaupten, »dass nach einigen Wochen Gewöhnung sogar Menschen mit einer Laktoseunverträglichkeit Milchprodukte in Maßen problemlos essen können«. Es ist korrekt, dass in der individuellen Verträglichkeit angemessenem Maße (!) verzehrter Milchzucker die rudimentäre Laktaseproduktion länger aufrecht zu erhalten hilft – den kontinuierlichen Niedergang jedoch kann das letztendlich jedoch nicht aufhalten. Und was ist schon »individuell angemessen«? Diese eigene Grenze zu kennen, ist schon für den aufgeklärten Laktoseintoleranten nicht einfach. Und ganz klar gilt: Verzehrt man zu viel Laktose, also mehr als die individuelle Grenze zulässt, ist dies in jedem Falle nicht nur sehr unangenehm, sondern definitiv schädlich, denn dadurch wird u.a. die gesunde Balance der Darmflora geschädigt (mit allen daraus resultierenden Folgen).

Zu behaupten, der Verzehr von Milchzucker würde die Laktose-Intoleranz verbessern oder – wie ein leider sehr bekannter Medizinjournalist in einem seiner Bücher tatsächlich behauptet – gar »heilen« zu können, ist noch größerer Unfug. Ob dieser Autor hier vielleicht von der Milchindustrie gesponsert wird, die nicht müde wird zu behaupten, dass der Verzehr von Milch unerlässlich für die Kalziumversorgung sei, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich gebe in diesem Zusammenhang jedoch zu bedenken, dass die (fast) korrekt in diesem Spiegel-Beitrag wiedergegebenen 2/3 der Weltbevölkerung, die laktoseintolerant sind (nach meinen Informationen sind es etwa 85%) und die eben keine oder nur weniger (in diesem Falle dann durch sorgfältige Vergärung laktosefrei gemachte) Milchprodukte verzehren, nicht samt und sonders schwächlich und kränklich und mit Kalzium unterversorgt sind. Somit muss es klar sein, dass es außer Milch noch ausreichend andere Kalziumquellen gibt – insbesondere in unserer Überflussgesellschaft!

Den immer wieder suggerierten Krankheitswert (wenn man es denn so bezeichnen möchte) bekommt die Laktoseintoleranz erst, wenn trotz allem Milchzucker verzehrt wird und dieser Beschwerden bereitet, weil die (natürlicherweise) im Dünndarm nicht oder nicht ausreichend vorhandene Laktase die Milchzuckerbausteine nicht aufspalten kann, und die Laktose dann im Dickdarm von den Darmbakterien vergoren wird, wobei Gase und Säuren entstehen. Selbstverständlich gibt es Abstufungen, und bei manchen Menschen wird noch mehr oder weniger eigene Laktase gebildet, was zur Verträglichkeit mehr oder weniger kleiner Laktose-Mengen führt. Diese sind jedoch mit den 12g, die in diesem Beitrag ziemlich pauschalisiert genannt werden, sehr häufig zu hoch angegeben und eben doch sehr individuell. Somit ist es für Menschen mit Laktose-Intoleranz sehr vorteilhaft, laktosefreie Produkte kaufen zu können.

Hier sollte ein guter Pressebeitrag ansetzen: Laktoseintolerante Menschen empfinden es als eine Erleichterung, wenn Nahrungsmittel als laktosefrei gekennzeichnet sind! Bedauerlich ist es nur, dass dies überhaupt erforderlich ist, denn normalerweise gehört der Milchzucker in Nahrungsmittel, die keine Milchprodukte sind, überhaupt nicht hinein. Erst die Praxis der Nahrungsmittelhersteller, Milchzucker in alle möglichen und unmöglichen Nahrungsmittel zu panschen, macht es erforderlich, ganz normale Produkte zu kennzeichnen, in denen man eigentlich niemals Laktose vermuten würde.

Und diese dann auch noch teurer als die naturgemäß belassenen zu verkaufen, ist ein weiterer Kritikpunkt, der zu großem Unmut Anlass geben sollte. Und besonders ärgerlich ist, dass es wahrscheinlich genau diese Hersteller sind, die mit ihrem Verhalten den Verbraucher in dem Glauben unterstützen – oder diesen Glauben zumindest nicht gerade rücken – dass laktosefreie Produkte einen höheren Gesundheitswert hätten als laktosehaltige. Hier sollte ein seriöser Presse-Beitrag einmal einhaken.

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