Klaus Oberbeil:
Die Milchfalle
Meine persönliche Bewertung:
Achtung: gefährliches Halbwissen!
Allein der Untertitel »Warum wir auf Milcheiweiß und Milchzucker allergisch
reagieren … « zeigt dem informierten Leser schon, dass er bei der Lektüre
dieses Buches aufpassen muss!
Der Verfasser, der sich selbst als » Medizinjournalist und Ernährungsexperte«
bezeichnet, schlägt in diesem Buch einen abenteuerlichen Bogen – oder sollte
ich besser Zickzack sagen? – zwischen einer Milchzucker-Unverträglichkeit
und einer Milcheiweiß-Allergie. Dabei gerät ihm nicht nur ab und an etwas durcheinander,
nein, er hat bei der wichtigen Unterscheidung der beiden Phänomene seine Hausarbeiten
überhaupt nicht gemacht.
Am Anfang unterscheidet er noch fast korrekt zwischen Unverträglichkeit und Allergie,
in der Mitte wirft er beides in einen Topf, beschreibt aber nur die Unverträglichkeit
auf Milchzucker, und am Ende kommt er auf die Allergie zurück, gibt dabei aber
lebensgefährliche Ratschläge.
Obwohl der Verfasser in Bezug auf gesunde Vollwerternährung und ihre Auswirkungen
auf Darmschleimhaut und -flora eigentlich gar nicht so falsch liegt (er hätte vielleicht besser
ein Buch über dieses Thema geschrieben), lassen mir seine Empfehlungen bei
Milchzucker-Unverträglichkeit die Haare zu Berge stehen: »Essen Sie nach 14
Tagen täglich 250g Joghurt, später können Sie auf 500g steigern« (weiter unten im Buch
sind es dann nur noch 2 Tage Karenz – noch nicht einmal bei seiner Hauptbotschaft
sind die Ratschläge des Verfassers durchgängig einheitlich) .
Basiert dieser Vorschlag darauf, dass Herr Oberbeil vielleicht noch nichts vom Unterschied
zwischen primärer und sekundärer Laktose-Intoleranz gehört hat (die Begriffs-Definitionen
werden jedenfalls mit keinem Wort erwähnt)? Er versteigt sich auch in die Behauptung, dass
Autoimmunerkrankungen wie z.B. der Morbus Crohn oder Zöliakie aus einer falschen
Ernährung bei Laktose-Intoleranz resultieren könnten – warum er dann den
Verzehr solch großer Mengen Joghurt empfiehlt, kann ich nicht nachvollziehen –
oder, ach ja, er meint ja, dass Laktose-Intoleranz und Milcheiweiß-Allergie mit
dieser Therapie geheilt werden können (»Folgen Sie den Ratschlägen in diesem
Buch – und Sie werden wahrscheinlich bald wieder an Milchprodukten viel
Freude haben.«
Bei der Milchzucker-Unverträglichkeit könnte ich über solchen Unsinn noch hinwegsehen:
Es kann ja in bestimmten Fällen tatsächlich möglich sein, mit einem moderaten (!),
der eigenen Toleranzschwelle angepassten (!), vorsichtigen (!) Verzehr kleinerer (!) Laktosemengen
die Restproduktion von körpereigener Laktase ein wenig länger zu erhalten, generell
kann man dies aber erstens nicht so über einen Kamm scheren, es zweitens nicht mit
solch großen Mengen Joghurt bereits am ersten Therapietag erreichen, und drittens ist es generell nicht möglich, einmal
verloren gegangene Funktionen wieder zum Leben zu erwecken – auch nicht mit
dem Aufpeppen der Darmflora und der Regeneration der Darmschleimhaut.
Ganz katastrophal wird es aber, weil er seinen 0-8-15-Ratschlag auch auf die »Heilung«
der Milch-Allergie überträgt. Mal abgesehen davon, dass er mit den Erkrankungsraten
von Erwachsenen völlig falsch liegt (eine Milcheiweiß-Allergie haben meistens Kinder,
Erwachsene sind davon eher selten betroffen), kann die Empfehlung, nach der für die
Unverträglichkeit sinnvollen Regeneration von Darmschleimhaut und -flora »auszutesten,
ob 250g Joghurt verträglich sind« lebensgefährlich sein! Selbstversuche in
Bezug auf die Bekömmlichkeit eines Allergen sollten zumindest mit einer großen,
roten Warnung vor einem anaphylaktischen Schock versehen sein – so etwas
macht man nicht zu Hause in Heimarbeit und schon gar nicht mit solchen Allergen-Mengen!
Bei all diesen aufgezählten Punkten kaum noch ins Gewicht fallend, aber doch erwähnenswert
kommt noch hinzu, dass der Verfasser häufig Fachausdrücke nicht richtig gebraucht (was,
bitte, ist ein Enterogastrologe) und er auch die Wirkungsweise von Laktase-Präparaten
nicht wirklich richtig zu kennen scheint (» … dass flüssiger Milchzucker (???)
[…] den Dünndarm rasch passiert, möglicherweise eine ganze Stunde, bevor die
Laktasemoleküle n Pillenform dort eintreffen«). Und auch die Laktose-Gehalte
von Milchprodukten scheinen ihm nicht geläufig zu sein: Seine ständigen Wiederholungen,
man könne u.a. Käse bald wieder problemlos genießen (er gibt an einer Stelle den Laktose-Gehalt von Hartkäse mit
3,0 – 3,7% an), sind für mich keine Überraschung, denn der enthält in Wirklichkeit
so gut wie keine Laktose, und ich kann ihn auch ohne sein Programm bereits ohne
Probleme essen.
Man könnte noch sehr viel mehr an Ungereimtheiten und sogar eklatanten Fehlern
aufzählen, ich meine jedoch, auch diese wenigen Punkte zeigen schon, dass es sich
keinesfalls empfiehlt, den Ratschlägen aus diesem Buch zu folgen. Für jemanden,
der ohnehin schon Bescheid weiß, sind die Empfehlungen von Klaus Oberbeil bestenfalls
lachhaft. Für alle diejenigen jedoch, die wirklich Rat benötigen und noch nicht
zwischen richtig und falsch unterscheiden können, hält die Lektüre nur gefährliches
Halbwissen bereit.
Mein Fazit: Finger weg!
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