Dr. David Perlmutter mit Kristin Loberg:
Dumm wie Brot
Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört
Meine persönliche Bewertung:
Eher für den bereits sachlich umfassend informierten Leser als für den »einfach nur Neugierigen«
Den Tenor seines Buches lässt uns Dr. David Perlmutter bereits im Untertitel wissen:
»Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört« und versucht aufzuzeigen,
dass Weizen dafür verantwortlich ist, dass neurologisch-degenerative Erkrankungen
wie u.a. Demenz und Alzheimer (wobei er diese beiden Erkrankungen leider in einen
Topf wirft) durch Glutenverzehr verursacht werden.
So zeigt er auf, dass Arteriosklerose nicht nur die landläufig bekannten Folgeerkrankungen
wie u.a. Herzinfarkte nach sich zieht, sondern auch die Blutgefäße im Gehirn
beeinträchtigt, was neben Schlaganfällen auch zu Demenz und Alzheimer führt.
Dies ist eine Schlussfolgerung, der ich ohne weiteres folgen kann – denn
warum sollte eine Mangeldurchblutung nur in den Körperregionen Folgen haben, im
Gehirn aber nicht?
Neben der Darstellung, dass Kohlenhydrate und insbesondere Gluten für degenerative
Erkrankungen des Gehirns verantwortlich sind, wird ein weiterer großer Teil des
Buches (eigentlich der größere Teil) darauf verwandt zu erklären, dass auch viele
andere körperliche Erkrankungen durch den Verzehr übermäßiger Mengen an Kohlenhydraten
verursacht werden.
Seine Hauptfeinde bei diesen Thesen sind zum einen das Gluten und zum anderen die
übermäßig verzehrten isolierten Kohlenhydrate, wobei er hier alle Kohlenhydrate
meint, die nicht aus Gemüse bezogen werden. Sowohl Vollkornprodukte als auch Reis,
Kartoffeln und süßes Obst sind für Perlmutter ebenfalls Kohlenhydrate, die es
größtmöglich zu meiden gilt. Zu Freunden im Kampf gegen die ernährungsbedingten
Erkrankungen erklärt er hingegen Fette und Proteine in Form von Fleisch, aus denen
das Gehirn statt schädlicher Glukose gesunde Ketone als Energielieferanten gewinnen
könne.
Im Falle eines übermäßigen Genusses von isolierten Kohlenhydraten möchte ich
Perlmutter noch folgen, denn im Gegensatz zu unseren Vorfahren verzehren wir
tatsächlich viel zu viele isolierte Kohlenhydrate. Allerdings ist es noch zu
beweisen, ob diese unsere Vorfahren tatsächlich Jäger und Sammler waren, die sich
überwiegend von großen Fleisch- und Fettmassen ernährten, wie Perlmutter dies
(im Einklang beispielsweise mit Dr. William Davis (Weizenwampe) oder Wolfgang Lutz
(Leben ohne Brot) und weitere) behauptet. Ich neige eher zu der Ansicht, dass
unsere körperlichen Merkmale wie Zähne, Darm und Enzymproduktion eher darauf hinweisen,
dass wir von Menschen abstammen, die Sammler und Jäger (in dieser Reihenfolge) waren
und hauptsächlich Früchte, Blätter, Knollen und Wurzeln sammelten und zusätzlich
einzelne Körner von Grashalmen streiften und verzehrten. Diese Kost konnte logischerweise
aufgrund ursprünglich noch gar nicht entwickelter Waffen lediglich durch gefundene
Vogeleier, Würmer, Insekten und kleinere Tiere ergänzt werden. Somit waren nicht
Fleisch und Fett die Hauptenergiequellen, sondern pflanzliche Kost, wobei hier
Kohlenhydrate in isolierter Form bzw. in größeren Mengen auch nicht auf dem Speiseplan
standen.
Gerne stimme ich Perlmutter zu, dass die isolierten Kohlenhydrate unser archaisches
Verdauungssystem überfordern – mit Sicherheit in den Mengen, in denen wir
heutzutage Zucker und Weißmehl verzehren. Unstrittig ist, dass isolierte Kohlenhydrate
zu einem sprunghaften Anstieg des Blutzuckers und in Folge zu einem rapiden Anstieg
von Insulin führen, was letztendlich eine Insulinresistenz und das metabolische
Syndrom nach sich ziehen kann. Somit sollte die Aufnahme großer Mengen isolierter
Kohlenhydrate in einer gesundheitsförderlichen Kost vermieden werden. Dass Perlmutter
hier allerdings auch gleich die Vollkornprodukte mit verdammt, kann ich nicht
nachvollziehen, denn die Aufnahme und Umwandlung der »verpackten« Stärke
aus Vollkorn erfolgt sehr viel langsamer, wodurch Insulinspitzen abgepuffert werden.
Zugegeben, auch Vollkornprodukte sollten nicht in unbegrenzten Mengen gegessen
werden, aber für ganz so böse, wie Perlmutter dies darstellt, halte ich sie nicht.
Eine Reduktion auf anfangs 30-40g und später auf 60g halte ich für falsch. Vor
allem, wenn im Gegenzug die Energiegewinnung aus Fett und Fleisch überhaupt nicht
limitiert wird.
Gar nicht nachvollziehen kann ich die Behauptung, dass das Gluten ein für alle
Menschen absolut zu meidender Nahrungsbestandteil sein soll. Zugegeben: Wir alle
verzehren viel zu viel von diesem Stoff, der von Getreide-Pflanzen (nicht nur von
Weizen, sondern auch von Roggen und Gerste und all ihren Abkömmlingen) als Schutz
vor Fraßfeinden gebildet wird – und schließlich sind ja auch wir Menschen
Fraßfeinde. Leider »verbietet« Perlmutter aber nicht nur Menschen mit
Zöliakie und Glutensensitivität das Gluten vollkommen, sondern allen Menschen.
Es stört mich nicht nur, dass Perlmutter die Glutensensitivität und die Zöliakie
in einen Topf wirft, sondern eben grundsätzlich den Verzehr sogar von Spuren von
Gluten als schädlich bezeichnet. Ja, früher (sprich: bis etwa vor 70 Jahren)
enthielten die genannten Getreidesorten wesentlich weniger Gluten. Und noch früher
– also zu Zeiten der Urmenschen, deren Verdauungssystem wir ererbt und seitdem
so gut wie gar nicht verändert haben, aßen die Menschen nur sehr kleine Getreide-
und damit Glutenmengen. Aber sie aßen Gluten, und blieben unter dieser Ernährung
nicht nur gesund und leistungsfähig, sondern konnten ihr Gehirn und ihre kognitiven
Fähigkeiten sogar weiterentwickeln. Somit kann es nicht von Nachteil sein, grundsätzlich
(unter der Voraussetzung, nicht an Zöliakie zu leiden) Gluten zu verzehren, wenn
es nicht ein Übermaß annimmt. Und auch der Hinweis, dass bei Menschen mit einer
Glutensensitivität (Non celiac gluten sensitivity) der Verzehr von Glutenspuren
absolut ungefährlich ist, ist für mich sehr wichtig.
Mein persönliches Fazit zu diesem Buch: Vieles, was Perlmutter schreibt –
und er schlägt einen sehr großen Bogen über viele Bereiche eines ganzheitlich
gesunden Lebens – ist korrekt und auch stimmig erklärt. Das ewige Herumreiten
auf der fett- und fleischbetonten Kost (bei anderen unter den Begriffen
»Atkinsdiät«, »Paleodiät«, »Steinzeitdiät« oder
»ketogene Ernährung« geführt) finde ich jedoch irreführend und kann
es nicht generell als gesünder nachvollziehen. Es mag sein, dass eine solch drastische
Reduktion von Kohlenhydraten für den einen oder anderen Menschen (vorübergehend)
akzeptabel ist – dass diese krasse Einschränkung jedoch für alles das
»Non plus ultra« und vor allem gesünder sei, ist schlichtweg falsch.
Deshalb: Dieses Buch separat ohne zusätzliches Hintergrundwissen zu lesen, ist
eher gefährlich und könnte zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. Nur der
ohnehin schon umfassend informierte Leser kann die richtigen von den irreführenden
Behauptungen trennen und unterscheiden. Deshalb eignet sich dieses Buch eher für
den bereits sachlich umfassend informierten Leser als für den »einfach nur
Neugierigen«.
Zur Amazon-Bewertung vom 10.11.2014
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