Beitrag im Tagesspiegel vom 6.8.2012
Dieser Beitrag enthält einiges Richtige – anderes möchte ich nicht
unwidersprochen so stehen lassen.
Es ist richtig: Etwa 15 – 20% der deutschen Bevölkerung ist laktoseintolerant.
Auch richtig: Diese Intoleranz hat verschiedenen Ausprägungen – von
»nur« sehr leicht (sprich: außer Trinkmilch ist noch alles andere
verträglich) bis so gut wie absolut (sprich: auch kleinste Mengen Laktose
verursachen schon Probleme).
Auch richtig beschrieben sind die Beschwerden mit »ein großes Glas Milch,
und schon grummelt der Bauch, krampft der Magen, plagen Blähungen den
Verdauungstrakt.« Nach dem Satz, den Laktoseintoleranten »mangelt es
an Laktase, ein Enzym, das während der Verdauung den Milchzucker spaltet«,
hätte ich mir allerdings gewünscht, dass Sie darüber informieren,
dass dieser Mangel bei den meisten Menschen auf der Welt (ca.85%) normal und
physiologisch ist – nur bei uns durch eine Genmutation eben nicht. Somit
kämen wir Laktoseintoleranten aus der Ecke der »Kranken und zu
Bemitleidenden« heraus.
Der Satz »sie müssen scheinbar auf viele leckere Dinge verzichten«
ist etwas zynisch, denn es ist tatsächlich und nicht nur »scheinbar«
so, dass wir auf »Sahne, Käse, Eiscreme, Schokolade, Wurst«
verzichten müssen, sofern diese Laktose enthalten – immer, ja, wirklich
immer! müssen wir auf die Zutatenlisten schauen, denn in Sahne (3,1–32%),
FrischKäse (ca. 2,5%), Eiscreme (meistens ein sehr hoher Laktosegehalt, denn
die macht die Eiscreme schön sämig), Milchschokolade (je nach Sorte ein
mehr oder weniger beträchtlicher Gehalt) und Wurst (ja, sogar in Salami ist
häufig Laktose enthalten, aber auch in anderen Sorten wie u.a. Leberwurst)
ist entweder naturbedingt oder eben auch leider von der Nahrungsmittelindustrie
reingepantschte Laktose enthalten.
Natürlich könnte es so sein, dass es nicht nötig ist, teure
Spezialprodukte zu wählen, wenn man naturbelassene Lebensmittel kauft (nicht
gemeint sind hier Milch und Milchprodukte, sondern alle anderen Lebensmittel ohne
natürlichen Laktosegehalt). Aber leider haben gerade Berufstätige häufig
nicht die Zeit, Mahlzeiten ohne Convenience zuzubereiten, und zum anderen ist es
heute schon sehr schwierig, wirklich noch natürliche Produkte zu bekommen.
Die meisten sind von der Nahrungsmittelindustrie mit einem reichhaltigen Cocktail
an Zusatzstoffen versehen – und dazu zählt sehr häufig auch die
Laktose, denn diese ist zum einen ein billiges Streckmittel und hat zum anderen
technische Eigenschaften, die die Nahrungsmittel eben für den (laktosetoleranten)
Verbraucher schönt.
Der Ausspruch »Ein Leben ganz ohne Milchprodukte wäre für mich
schwer vorstellbar« von Tanja Ravensburger ist schon nachvollziehbar, denn
in unserer milchlastigen Gesellschft (sicherlich nicht zuletzt gefördert
durch eine immer geschäftstüchtiger werdende Milchlobby) beruht auf
unserer Gewöhnung: Man kann sich eine Ernährung ohne Milch(produkte)
kaum vorstellen – obwohl sich ein Großteil der Weltbevölkerung
genauso ernährt (weil die Milch halt nicht bekömmlich ist). Und –
man höre und staune: Keiner dort leidet an Osteoporose oder sonstigen Krankheiten,
die angeblich zwangsläufig mit dem Milchverzicht zusammenhängen sollen.
Richtig ist, wenn Sie behaupten, dass Butter nur sehr wenig Laktose enthält
– nämlich tatsächlich nur 0,6%. Aber auch diese 0,6% können
für empfindliche LI-Betroffene schon zuviel sein – für die meisten
zugegebenermaßen nicht. Und wenn Frau Ravensberger »Sahne zum Kuchen
problemlos verträgt«, hat sie wahrscheinlich noch eine ziemlich umfassende
Restproduktion von Laktase im Darm – das ist beileibe nicht bei allen so!
Sie erwähnen dies ja glücklicherweise noch ganz am Schluss Ihres Beitrags.
Statt der Behauptung, »Wer mehr will, sollte dann … Laktasetabletten in der
Apotheke besorgen« hätte ich mir gewünscht, dass Sie sich zuvor
etwas ausführlicher über dieses Thema informiert hätten: Laktase
ist ein Notanker (!) und nicht zum Dauergebrauch geeignet. Künstliche
Laktase wirkt nie so, wie die natürliche. Hemmungslos drauflos zu essen und
nebenbei Laktase zu schlucken, führt dazu, dass auf Dauer Darm und Darmflora
geschädigt werden. Mal (!) ein Laktasepräparat einzunehmen, wenn die
Oma liebevoll einen laktosehaltigen Kuchen gebacken hat, ist völlig in Ordung
(zumindest für diejenigen, die keine Schimmelpilzallergie haben und die mit
dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae hergestellte Laktase vertragen). Aber –
wie gesagt – ein Dauergebrauch und der sinnlose Verzehr von Laktose führt
letztendlich immer zu Problemen.
Es ist deshalb immer eine Sache der Information: Je mehr ich über diese
Unverträglichkeit weiß, desto besser geht es mir. Manchmal bin ich dankbar,
dass es als »latosefrei« deklarierte Produkte gibt – die
zugegebenermaßen auch in meinen Augen unangemessen überteuert sind –
oftmals aber kann ich mit etwas Nachdenken »normale« Produkte kaufen.
Aber glauben Sie mir: Es ist schon langwierig, immmer (!) die Zutatenlisten studieren
zu müssen, die sicherlich nicht unabsichtlich entweder winzig klein oder hell
auf hellem Hintergrund oder aber ausschließlich in Großbuchstaben oder
sogar im Falz der Verpackung aufgedruckt sind.
Somit wäre es erfreulich, wenn Sie – statt die Laktose-Intoleranz als
»Modekrankheit« zu bezeichnen – sich ausdrücklich der Forderung
der Verbraucherzentralen anschließen würden und sich für eine
deutliche Kennzeichnung des Laktosegehalts auf jedem Produkt (!) einsetzen
würden – nicht nur auf Milchprodukten.
Gerne stehe ich Ihnen für weitere Fragen und Informationen zur Verfügung
– und auf meiner Website (www.dorispaas.de) erhalten Sie reichhaltige
Informationen zu diesem gesamten Themenkomplex.
Herzliche Grüße
Doris Paas
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