Sendung »Markt« im WDR-Fernsehen am 6.8.2012
Sehr geehrte Frau Storch, sehr geehrte Damen und Herren,
laktosefreie Milchprodukte haben einen stolzen Preis. Damit haben Sie prinzipiell Recht!
In vielen Beiträgen im Internet und im Blog auf meiner eigenen Website
(
http://www.dorispaas.de/index.php?page=blog)
habe ich dies bereits ausgiebig dargelegt.
In Ihrem WDR-Beitrag lassen Sie einen Hersteller (hier: Omira) die höheren
Preise im Vergleich zu »normalen« Milchprodukten mit den höheren
Produktionskosten begründen, die durch die industrielle Spaltung des Milchzuckers
entstünden. Aber – wie ebenfalls bereits an anderen Stellen gesagt,
muss dies in meinen Augen nicht diese doch sehr hohen Preisunterschiede ergeben.
Dies möchte ich deshalb nicht noch einmal thematisieren und
Verbesserungsvorschläge machen – wichtiger ist mir hier, wie die L
aktose-Intoleranz und der Umgang mit ihr dargestellt wird.
Ich rekapituliere noch einmal die Handlung Ihrer Sendung: Zwei ältere Damen,
beide laktoseintolerant, gehen gemeinsam einkaufen. Die eine (Herta) »nimmt
ausschließlich laktosefreie Produkte« die andere (Irmgard) hält
dies nicht für nötig. Während des gesamten Beitrags wird immer
wieder gegenübergestellt, welche Produkte Herta kauft und welche Irmgard.
Weiterhin welche laktosefreien (Marken-)Produkte wie viel mehr als laktosehaltige
(Billig-)Produkte kosten. Es werden die Preise für den Einkauf verglichen –
soweit, so schlecht, denn die Gegenüberstellung von Marken- und Billigprodukten
ist nicht objektiv. Auf dem Frühstückstisch von Herta stand übrigens
eine Billigmilchmarke von Malibu und nicht die von Omira (MinusL) – Sie haben
in Ihrem Beitrag aber jeweils die MinusL-Produkte für Butter, Käse und
Schokolade den Billigmarken gegenübergestellt und so die Preisdifferenzen
dramatisiert. Wenn Sie den Preis der Malibu-Milch mit dem Preis für »normale«
Milch aus einer äquivalenten Preiskategorie verglichen hätten, wäre
der Unterschied ein wenig objektiviert, obwohl – wie gesagt – hier auch
in meinen Augen ungerechtfertigte Größenordnungen bestehen. Auch legt
Irmgard dar, dass sie »Bitterschokolade« esse, Sie jedoch bilden in
Ihrem Vergleich zwei Tafeln Milchschokolade ab. Natürlich ist Bitterschokolade
ab einem gewissen Kakaogehalt laktosefrei, aber vielleicht mag Herta lieber
Milchschokolade – und die ist normalerweise nun mal laktosehaltig. Auch
dieser Vergleich hinkt also.
Das Wichtigste ist jedoch für meine Begriffe, dass Irmgard und Herta jedoch
ganz offensichtlich nicht dieselben Bedürfnisse in Bezug auf ihre Laktose-Intoleranz
haben. Und diese Tatsache lässt Ihre Sendung meines Erachtens nach unter
den Tisch fallen und schert beide Verbraucherinnen über einen Kamm. Irmgard
behauptet z.B. weltoffen und souverän, sie hätte »noch nie Probleme
mit Keksen gehabt« und könne die ganz normalen Kekse essen. Herta,
die – so erscheint es mir zumindest – (sicherlich unbeabsichtigt?)
als weniger selbstbewusst dargestellt wird, greift zu den teueren laktosefreien
Produkten. Aus eigener Erfahrung weiß ich und hätte mir das als Thema
in einer Informationssendung gewünscht: nur für sehr leicht laktoseintolerante
Menschen ist es (noch) möglich, ein paar »normale« Kekse (also solche,
die Milch und Butter enthalten) ohne Folgen zu essen – vor allem, wenn es
Kekse mit Milchschokolade sind. Wenn Herta in diesem Falle also laktosefreie
Schokokekse bevorzugt, dann nicht unbedingt, weil sie weniger informiert ist,
sondern vielleicht, weil ihre Unverträglichkeit ausgeprägter ist als
die von Irmgard.
Aber selbst wenn Herta dies alles nicht wüsste, sondern u.U. eher aus Vorsicht
zu den als laktosefrei deklarierten Produkten greift, wäre dies auch
verständlich. Immerhin mischen heutzutage viele Hersteller Milchzucker in
alle möglichen Produkte, in die Laktose gar nicht hineingehört. Dies
muss zwar auf den Zutatenlisten vermerkt werden, aber wie diese Listen gestaltet
werden, wissen wir alle. Vielleicht hat Herta ja Probleme mit den Augen –
immerhin trägt sie eine Brille, das wäre ein Hinweis darauf, dass sie
vielleicht schon schlechte Erfahrungen gemacht haben könnte, als ihr Einzelheiten
beim Lesen einer Zutatenliste entgangen waren. Wir Laktoseintoleranten können
es uns nicht leisten, Experimente zu machen, die – im wahrsten Sinne des
Wortes – in die Hosen gehen können! Auch wissen wir ja trotz der
Deklarationspflicht gar nichts über den wahren Laktosegehalt. Ja, die Zutaten
werden ihrer Menge nach in der Reihenfolge aufgeführt – aber wie genau
die Menge ist, wissen wir nicht, können also auch die Gesamtmenge von Laktose
in allen verzehrten Produkten nicht genau einschätzen. Hier ist Vorsicht
immer vorteilhaft! Das alles hätten Sie in Ihrer Sendung am besten auch
erwähnt. Nicht die Verbraucher, die den Herstellern auf den Leim gehen,
sollten benannt werden, sondern vor allem und ganz dezidiert die Hersteller zu
fairen und verbraucherfreundlichen Praktiken aufgefordert werden!
Der Beitrag von Peter Stehle, den Sie als Ernährungswissenschaftler der Uni
Bonn zu Worte kommen ließen, war hier in meinen Augen eher kontraproduktiv:
Er begründete die Überflüssigkeit der laktosefreien Milchprodukte
damit, dass »bei der Fermentation bei Joghurt« der Milchzucker schlicht
»nicht mehr da sei«. Schön wäre es! Unglücklicherweise
gab es in seiner Wortwahl doch einige »sprachliche Unschärfen« –
ob diese der Kürze des Gesamtbeitrags oder aber einem Denkfehler geschuldet
waren, vermag ich nicht zu beurteilen. Von einem Ernährungswissenschaftler
wünsche ich mir eine etwas korrektere Beschreibung: Das Laktase-Enzym
(Ferment ist ein schon länger veralteter Ausdruck), das von den
Milchsäurebakterien hergestellt wird, die Joghurt zu Joghurt machen, kann
einen Teil (!) des enthaltenen Milchzuckers spalten – aber nicht den gesamten
Milchzucker (so dass er »nicht mehr da ist«). Es verbleiben immer mehr
oder weniger große Mengen Milchzucker in jedem Joghurt.
Wichtig wäre hierbei natürlich auch die Erläuterung gewesen, dass
nur ein wirklich hochwertiger Naturjoghurt milchzuckerarm (im Vergleich zur
Trinkmilch) ist, der billige Industriejoghurt, dessen »Verderb« und
dadurch auch der weitere Milchzuckerabbau durch Erhitzung gestoppt wird, kann
sehr wohl hohe Laktosemengen enthalten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass von den
Herstellern dem Produkt häufig sogar noch zusätzlicher Milchzucker
beigemengt wird, um mit einer gewissen Sämigkeit das »Mundgefühl«
bei den Verbrauchern zu verbessern. All dies hat der Ernährungswissenschaftler
leider nicht gesagt. Hier hätte bei einem uninformierten Zuschauer ankommen
können – wenn er es nicht besser wüsste, dass alle Laktoseintoleranten
ohne Bedenken Joghurt essen können. Er ist ja sowieso laktosefrei, weil –
ich zitiere noch einmal – der Milchzucker »nicht mehr da ist«.
Weiterhin sagte Herr Stehle, dass die laktosefreien Produkte, die »bereits
Lifestyle-Charakter haben« von den Verbrauchern als kalorienärmer
betrachtet werden, denn der Milchzucker würde ja »als Energieträger
abgebaut«. Ich nehme nicht an, dass ein Ernährungswissenschaftler nicht
weiß, dass die Spaltprodukte Trauben- und Schleimzucker, die durch die
enzymatische Spaltung des Milchzuckers entstehen und weiterhin in dem Produkt
verbleiben, nichts von ihrer Energie einbüßen. Allerdings wäre es
schön gewesen, wenn er dies auch den Zuschauern noch einmal unmissverständlich
klargelegt hätte. So könnte der Eindruck für den nicht betroffenen
und nicht informierten Zuschauer entstehen, dass die laktosefreien Milchprodukte
tatsächlich auch kalorienärmer seien als die »normalen«.
Sehr geehrte Frau Storch, es ist zu begrüßen, dass Sender wie der WDR
seriös über das Thema »Laktoseintoleranz« berichten und
informieren. Der Zweck Ihrer Sendung sollte sicherlich sein darzulegen, dass
laktosefreie Produkte zu teuer sind. Wie oben gesagt: Das finde ich auch, und
es wäre gut, hier alle Zusammenhänge beim Namen zu nennen, also auch,
die Hersteller zu faireren Preisen aufzufordern. Natürlich ist es nicht nur
legitim sondern auch richtig, wenn erwähnt wird, dass mitnichten nur als
laktosefrei deklarierte Produkte für Menschen mit Laktose-Intoleranz geeignet
sind, sondern durchaus auch – wie das Beispiel Käse korrekt zeigt –
auch mit Bedacht ausgewählte »normale« (und vergleichbare) Produkte.
Aber alle die Menschen als unbedarft hinzustellen, die laktosefreie Milchprodukte
den normalen Milchprodukten vorziehen, ist sicherlich nicht nur für mich
ziemlich ärgerlich. Eine für dieses Thema in meinen Augen zu oberflächliche
Berichterstattung aber hilft hier wirklich gar nicht weiter. Besser wäre es,
wenn Sie ein wenig mehr Zeit für eine umfassendere und vor allem korrekte
Information hätten einplanen können und Menschen hätten zu Worte
kommen lassen, die die Zusammenhänge zumindest aus der Verbraucherperspektive
sehen und damit wahrscheinlich besser hätten erklären können, als
der ausgewiesene Wissenschaftler.
Gerne stehe ich Ihnen für weitere Fragen zu Verfügung und freue mich,
wenn Sie Kontakt mit mir aufnehmen.
Herzliche Grüße
Doris Paas
Ernährungs- und Gesundheitspädagogin
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